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Rückgang und Stagnation im 15. Jahrhundert

Nach dem erstmaligen Auftreten der Pest 1349 kam es zu einem Bevölkerungsrückgang. Die Einwohnerzahlen erholten sich erst seit dem Ende des 15. Jahrhunderts allmählich.

Nach einer kontinuierlichen Wachstumsphase vom 13. bis in die zweite Hälfte des 14. Jahrhunderts (Wachstum im 13. und 14. Jahrhundert), die durch eine dichter werdende Bebauung des Stadtgebiets (Ausbau und Innere Verdichtung) sowie durch die beiden Stadterweiterungen nach 1255 (Erste Stadterweiterung nach 1255) und 1343 (Zweite Stadterweiterung nach 1343) gekennzeichnet war, kam es zu Beginn des 15. Jahrhunderts zu einem Bevölkerungsrückgang. Die Gründe für die sinkenden Einwohnerzahlen lagen einerseits in den seit 1349 periodisch wiederkehrenden Pest- und Seuchenzügen (Pest und Seuchenzüge), die jeweils Hunderte von Todesopfern in Stadt und Land forderten, andererseits bemühten sich Zünfte und Bürgerschaft seit dem beginnenden 15. Jahrhundert darum, die Niederlassung in Bern auf einen immer kleineren Kreis vermögender und handwerklich qualifizierter Personen zu beschränken (Abschliessung von Zünften und Bürgerschaft). Die negative demografische Entwicklung wurde schliesslich noch dadurch verstärkt, dass Schultheiss und Rat die flächendeckenden Zerstörungen des grossen Stadtbrands von 1405 (Grosser Stadtbrand von 1405) dazu nutzten, die Zahl der Wohnhäuser innerhalb der Stadtmauern zu verringern und mit der Anlage neuer Plätze Raum für repräsentative Neubauten zu schaffen.[1] Gleichzeitig bewirkte die zunehmende rechtliche Einbindung der Landbevölkerung ins entstehende städtische Territorium, dass immer weniger Landbewohner den Schutz der Stadtmauern aufsuchten und die Zuwanderung vom Land bis zum Ende des 15. Jahrhunderts ebenfalls zurückging (Verhältnisse auf dem Land).

Lenkung der Zuwanderung durch den Rat

Während es sich bei den Seuchenzügen und Feuerkatastrophen um unkontrollierbare äussere Einwirkungen[2] auf die Bewohnerschaft Berns handelte, waren die Niederlassungsbeschränkungen von Zünften und Bürgerschaft (Schliessung des Bürgerrechts) sowie die Verkleinerung der Häuserzahl nach dem Brand von 1405 bewusste Lenkungsmassnahmen des Rats (Niederlassungspolitik des Rats). Dieser zeigte sich ähnlich der Entwicklung in anderen Städten Deutschlands und der heutigen Schweiz seit dem ausgehenden 14. Jahrhundert darum bemüht, Bebauungsdichte und Architektur der Stadt den wachsenden Ansprüchen der wohlhabenden Bürger an Lebensqualität und Repräsentation anzupassen sowie gleichzeitig die Niederlassung in der Stadt zu reglementieren.[3] In Folge des herrschaftlichen Zugriffs auf die Bevölkerung im entstehenden städtischen Territorium (Entstehung des städtischen Territoriums) hing die Berner Bürgerschaft jedoch viel weniger von der Zuwanderung von aussen ab als andere spätmittelalterliche Städte. Vor allem die Durchsetzung der kommunalen Mannschafts- und Steuerhoheit auf dem Land ermöglichte es Schultheiss und Rat, die Bevölkerungsverluste nach Pest und Stadtbrand als Chance zu nehmen, um den frei gewordenen Platz innerhalb der Stadtmauern weitgehend neu zu gestalten. Weder die militärische Schlagkraft noch die fiskalischen Einkünfte der Stadt wurden dadurch beeinträchtigt (Ausdehnung der Steuerhoheit auf die Landschaft).[4]

Roland Gerber, 10.11.2017



[1]    Daniel Gutscher: Neugestaltung des städtischen Raumes. „Sölich hus zu slissen sy dem kilchhof zu gut” - Bern entdeckt seine Freiräume, in: BGZ, S. 82-87.

[2]    Zu äusseren gewaltsamen Einwirkungen auf das Leben in vormodernen Städten vgl. Martin Körner (Hg.): Stadtzerstörung und Wiederaufbau. Zerstörungen durch Erdbeben, Feuer und Wasser, Bd. 1, Bern 1999.

[3]    Vgl. Eberhard Isenmann: Bürgerrecht und Bürgeraufnahme in der spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Stadt, in: Neubürger im späten Mittelalter, hg. von Rainer C. Schwinges (Beiheft der Zeitschrift für Historische Forschung 25), Berlin 2001.

[4]    Der Nürnberger Rat liess 1393 beispielsweise insgesamt 436 Tagelöhner ins kommunale Bürgerrecht aufnehmen, damit sich diese am Mauerbau und an der Verteidigung der Vorstädte beteiligen konnten. Um Wohnraum für die neuen „mittellosen Bürger” zu schaffen, errichteten wohlhabende Bürger auf ihren Grundstücken in den Vorstädten sogar ganze Komplexe bis zu dreistöckiger Mietshäuser und kleinerer Reihenhäuser; Eberhard Isenmann: Bürgerrecht und Bürgeraufnahme in der spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Stadt, in: Neubürger im späten Mittelalter, hg. von Rainer C. Schwinges (Beiheft der Zeitschrift für Historische Forschung 25), Berlin 2001, S. 5. Während der militärischen Bedrohung durch die Armagnaken 1444 versprach auch der Basler Rat, dass jeder, der sich am Nachmittag des 12. Augusts im Rathaus meldete und den Neubürgereid ablegte, das Bürgerrecht gratis erhalten sollte; ebd., S. 24.

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