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Pestzug 1367

Der zweite schwere Pestzug von 1367 hatte zur Folge, dass kaum noch Bürger für die Besetzung der städtischen Ämter gefunden werden konnte.

Obwohl Konrad Justinger neben der Pest von 1349 (Schwarzer Tod 1349) keine weiteren Pestzüge im 14. Jahrhundert mehr erwähnt, scheint die Einwohnerschaft Berns nach den überlieferten Satzungen ausser dem Sterben von 1355 mindestens im Frühling des Jahres 1367 noch einmal von einem grösseren Seuchenzug heimgesucht worden zu sein. Nachdem der Rat bereits im November 1366 wegen der in diesem Jahr besonders schlecht ausgefallenen Getreideernte die in der Stadt ansässigen Grundbesitzer dazu ermahnte, ihr Korn vom Land nur noch auf dem städtischen Markt zu verkaufen, erliess er an Ostern 1367 eine weitere Satzung, in der er den Verkauf von verwaistem Gut auf jene Einwohner einschränkte, die einen rechtmässigen Anspruch auf den betreffenden Besitz nachweisen konnten.[1] Schultheiss und Rat (Schultheiss und Rat) reagierten mit dieser Massnahme auf eine wahrscheinlich im Frühjahr 1367 in der Stadt grassierende Epidemie, die eine grössere Zahl von Todesopfern forderte. Die vermehrten Todesfälle waren von Stadtbewohnern offenbar dazu benutzt worden, sich fremdes Eigentum anzueignen, um dieses nach dem Abklingen der Seuche mit Gewinn weiterzuverkaufen. Eine weitere Folge des Pestzugs von 1367 bestand darin, dass immer mehr verwitwete Frauen (Bürgerinnen) ohne den Beistand eines männlichen Vogts Rechtsgeschäfte tätigten, von denen sie dann aber wieder zurücktraten. Nach Meinung des Rats wurden dadurch erber lüte dick und vil betrogen und geschedigt. In einer ebenfalls an Ostern 1367 festgelegten Satzung bestimmte er deshalb, dass Frauen ihre einmal getätigten Erwerbs- und Verkaufsgeschäfte entsprechend den ursprünglichen Abmachungen strikt einzuhalten hätten und diese nachträglich nicht wieder abändern durften.[2] Noch konkretere Hinweise auf den Seuchenzug von 1367 enthalten zwei Ratssatzungen vom 24. März jenes Jahres: Die Rechtserlasse bezweckten eine bessere christliche Lebensführung der Stadtbevölkerung. In der ersten Satzung verbot der Rat sämtliche Würfel- und Kartenspiele gegen Androhung einer Geldbusse und einer Verbannung aus der Stadt für die Dauer eines Jahres. Ausgenommen vom Spielverbot blieben einzig Brettspiele sowie Spiele, so in rechten geselschaften abgehalten wurden.[3] In der zweiten Satzung verurteilte er die ausserehelichen Beziehungen der Stadtbewohner, wobei er neben der bereits bestehenden kirchlichen Bestrafung für Ehebruch noch eine zweite weltliche durch das Stadtgericht festlegte.[4]

Einführung des Amtszwangs

Auch der Rat der Zweihundert (Rat der Zweihundert) schien von den seit 1349 wiederholt auftretenden Pestepidemien nicht verschont geblieben zu sein. Schultheiss und Rat sahen sich – nicht zuletzt unter dem Eindruck des schweren Seuchenzugs – im Oktober 1367 dazu gezwungen, den Amtszwang für alle Stadtbürger einzuführen.[5] Durch diese Massnahme sollte garantiert werden, dass die seit der Mitte des 14. Jahrhunderts ständig wachsende Zahl kommunaler Ämter und Dienste (Ratsämter und Behörden) trotz der wiederholten Pestepidemien mit ausreichend befähigten Männern besetzt werden konnte. Wahrscheinlich ebenfalls in Zusammenhang mit einem Seuchenzug steht eine im September 1370 in die Satzungsbücher eingetragene Bestimmung. In dieser wurde die Zahl der zu einem Leichenmahl geladenen Gäste in den städtischen Klöstern auf zehn und in den Wohnhäusern der Bürger auf höchstens fünf Personen beschränkt.[6] Zudem beschloss der Rat, dass die Angehörigen eines Verstorbenen am ersten Tag nach dessen Beerdigung das Grab noch nicht begehen sollten, weil dadurch die Bewohner eines Haushalts dester fridlicher beliben und ires gutes dester sicherer sin mügen. Aus Angst vor leidigen lüten machten Schultheiss und Rat (Schultheiss und Rat) sogar die Empfehlung, dass trauernde Familien jeweils nur zwei der nächsten Freunde und Nachbarn an die Begräbnisfeierlichkeiten einladen sollten.[7] Nach Meinung der Ratsherren bestünde ansonsten die Gefahr von Diebstählen oder Brandausbrüchen in den leer stehenden Häusern.

Verbot frommer Stiftungen an die Kirche

Am Ende des 14. Jahrhunderts führte der Rat schliesslich die bereits um die Mitte des Jahrhunderts formulierte Politik der Zurückdrängung des geistlichen Grundbesitzes innerhalb der Stadtmauern zu Ende.[8] Als Erstes erneuerte er 1381 das 1356 erlassene Verbot, städtische Liegenschaften an die Kirche zu verkaufen, wobei er die Gültigkeit der Satzung auf das Gebiet von drei Meilen rund um die Stadt ausdehnte.[9] In einer weiteren Bestimmung von 1400 forderte er die stadtsässigen Klerikergemeinschaften dazu auf, ihre auf kommunalen Liegenschaften lastenden Seelgeräte[10] gegen einen bestimmten von der Stadt festgelegten Tarif abzulösen.[11]

Roland Gerber, 13.11.2017



[1]    SSRQ Bern I/2, Nr. 120, S. 54-55, und Nr. 81, S. 39.

[2]    SSRQ Bern I/2, Nr. 133, S. 58f.

[3]    SSRQ Bern I/2, Nr. 83, S. 40.

[4]    SSRQ Bern I/2, Nr. 129, S. 57.

[5]    SSRQ Bern I/2, Nr. 122, S. 55.

[6]    SSRQ Bern I/2, Nr. 206, S. 86. Zu Aufwandsbeschränkungen während des Mittelalters vgl. auch Neithart Bulst: Feste und Feiern unter Auflagen. Mittelalterliche Tauf-, Hochzeits- und Begräbnisordnungen in Deutschland und Frankreich, in: Feste und Feiern im Mittelalter, hg. von Detlef Altenburg, Jörg Jarnut und Hans-Hugo Steinhoff., Sigmaringen 1991, S. 39-51.

[7]    Zu den Begriffen „Freundschaft” und „Nachbarschaft” in der spätmittelalterlichen Stadt Bern vgl. Simon Teuscher: Bekannte - Klienten - Verwandte. Soziabilität und Politik in der Stadt Bern um 1500 (Norm und Struktur 9), Köln/Weimar/Wien 1998.

[8]    Ein weiterer Seuchenzug kann fürs Jahr 1395 angenommen werden; Silvio Bucher: Die Pest in der Ostschweiz, in: Neujahrsblatt des Historischen Vereins des Kantons St. Gallen 119 (1979), S. 11-58, hier 15.

[9]    SSRQ Bern I/2, Nr. 131, S. 58. Eine ähnliche Politik verfolgte auch der Freiburger Rat, der 1397 und 1410 den fiskalischen Zugriff geistlicher Niederlassungen auf den Güter- und Liegenschaftsbesitz der Stadtbürger stark einschränkte; Hans-Jörg Gilomen: Stadt-Land-Beziehungen in der Schweiz des Spätmittelers, in: Itinera 19 (1998), S. 10-48, hier 28.

[10]  Der Begriff „Seelgerät“ meint mittelhochdeutsch „Vorrat für die Seele“. Dazu gehören beispielsweise die in einem Testament ausgeschiedenen Erbteile zur Finanzierung guter Werke für die Armen oder fromme Stiftungen an die Kirche; Peter Jezler (Hg.): Bildersturm. Wahnsinn oder Gottes Wille? Ausstellungskatalog Bernisches Historisches Museum, Bern 2000, S. 426.

[11]  SSRQ Bern I/2, Nr. 215, S. 90. Die im Jahre 1400 festgelegte Bestimmung scheint von Schultheiss und Rat in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts gegenüber der Kirche mit Nachdruck durchgesetzt worden zu sein. So begründete der Pfarrer von Hitzkirch die Ablösung eines ihm zustehenden Bodenzinses in der Stadt Bern 1424 mit den Worten: [...] wand schultheis und räte der statt Bern, min liben herren, ein ordnung und satzung hant gemacht, söliche gülte in der statt gelegen, es sy uff hüsern, hoffstetten oder garten abzekouffen [...]; Gottlieb Studer: Zur Geschichte des Inselklosters, in: Archiv des Historischen Vereins 4 (1858-60), S. 1-48 (Heft 1) und 1-56 (Heft 2), S. 40.

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