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Referat Franziska Teuscher anlässlich des Vernetzungsanlasses SIBA (Verein Soziale Innovation Bern: Accelerator)

19. Januar 2018

Referat Franziska Teuscher anlässlich des Vernetzungsanlasses SIBA (Verein Soziale Innovation Bern: Accelerator) vom 19. Januar 2018©

Es gilt das gesprochene Wort

Liebe Anwesende
Liebe Interessierte
Liebe Organisatorinnen des heutigen Anlasses

Ich bedanke mich herzlich für die Einladung und freue mich, dass ich an diesem Anlass ein kurzes Referat zum Thema Alterspolitik halten darf. Denn die Idee der «SIBA», innovative, soziale Projekte sichtbar zu machen und zu vernetzen imponiert mir sehr. Um das generationenumfassende Zusammenleben heute sozial, gleichberechtigt und vor allem auch nachhaltig zu gestalten, braucht es neue Vorgehensweisen. Nicht nur, aber gerade im Altersbereich braucht es neue Ansätze, um die Chancen und Herausforderungen der demographischen Entwicklung anzugehen. Oder um es mit den Worten von Professor Thomas Klie, einem Soziologen aus Freiburg im Breisgau, zu sagen: «Es ist eine Innovationskultur gefragt, wenn wir eine Gesellschaft des langen Lebens menschenfreundlich gestalten wollen, jenseits von traditioneller Familienpflege und Heimen.»

Lassen Sie mich das erklären: Es ist nicht damit getan genügend ambulante und stationäre Pflegeleistungen zur Verfügung zu stellen. Nein, ein gutes, würdiges Altern bedeutet viel mehr: nämlich soziale Teilhabe und Zugehörigkeit auch bei physischen oder kognitiven Einschränkungen. Menschen wollen in ihrem Quartier alt werden, sie wollen dazu gehören, sich sicher fühlen. Und hier, geschätzte Damen und Herren, sehe ich als Sozialdirektorin der Stadt Bern den Schwerpunkt einer kommunalen Alterspolitik. Es geht um das Ermöglichen und Fördern der sozialen Teilhabe in jedem Lebensalter, also auch im hohen Alter. Gefragt ist ein gut austariertes Zusammenspiel zwischen Staat, Wirtschaft und Zivilgesellschaft.

Was sind nun die Voraussetzungen, dass soziale Teilhabe gelingen kann? Wo können wir Einfluss nehmen? Lassen Sie mich vier Hauptstränge nennen:

  • Soziale Teilhabe setzt voraus, dass sich Menschen im öffentlichen Raum sicher bewegen können und sich da auch wohl fühlen. Es ist Aufgabe der Gemeinde den öffentlichen Raum hindernisfrei zu gestalten und zusammen mit der Bevölkerung Orte zu schaffen, wo man sich gerne aufhält und wo man sich begegnen kann.
  • Soziale Teilhabe setzt auch voraus, dass es genügend bezahlbaren, hindernisfreien Wohnraum gibt. Bernerinnen und Berner sollen auch bei zunehmender Gebrechlichkeit im vertrauten Quartier wohnen bleiben können und nicht gegen ihren Willen in ein Heim umziehen oder aus der Gemeinde wegziehen müssen.
  • Soziale Teilhabe setzt weiter voraus, dass Dienstleistungen und Freizeitangebote bezahlbar und gut zugänglich sind. Und: Dass auch ältere Menschen diese mitgestalten können.
  • Doch die wichtigste Voraussetzung für soziale Teilhabe ist, dass die gesamte Bevölkerung bereit ist, Mitverantwortung für das Zusammenleben und den Lebensraum zu tragen. Das heisst: In einer Gesellschaft sollen alle bereit sein, Unterstützung zu geben und auch solche anzunehmen. Hier sind selbstverständlich auch Initiativen mitgemeint, die von der älteren Bevölkerung selber ausgehen. So wie dies beispielsweise der Verein «innovage» macht, wo die ältere Generation einer jüngeren Generation ihre Erfahrung zur Verfügung stellt. Oder die vielen älteren Freiwilligen, die sich bei «benevol» engagieren. Dies sind zwei Organisationen, die Sie ja von früheren SIBA-Vernetzungsanlässen kennen.

Die Aufgabe als Gemeinde sehe ich hauptsächlich darin, all diese Voraussetzungen klar zu benennen, zu entwickeln und wo immer möglich umzusetzen. Alterspolitik bedeutet nicht dieses oder jenes «Projektli» für ältere Menschen bereit zu stellen. Das Leben und somit auch das Alter findet im Sozialraum statt. Und die Bedeutung des Sozialraums nimmt mit zunehmendem Alter und nachlassender Mobilität zu. Deshalb ist Alterspolitik immer auch Stadtplanungspolitik, Stadtentwicklungspolitik und Wohnbaupolitik. Den Gemeinden kommt in einem weiteren Punkt eine besondere Verantwortung zu. Nämlich da, wo Rahmenbedingungen zu schaffen sind, in denen sich Mitverantwortung und gegenseitiges Sorgetragen entwickeln können. Und da, wo ein gutes Zusammenwirken von familiären, nachbarschaftlichen Ressourcen sowie professionellen Dienstleistungen ermöglicht werden soll.

Familienangehörige können nicht alleine gelassen werden, wenn es um Betreuung und Pflege ihrer Verwandten geht. Es müsste wieder selbstverständlicher werden, dass wir innerhalb der Generationen, aber auch generationenübergreifend einander Hilfestellungen bieten und Anteil nehmen. Im Stadtteil III läuft das «Pilotprojekt Nachbarschaft Bern» und es ist sehr erfolgreich, was mich enorm freut. Es sind über 50 sogenannter Tandems aktiv, darunter auch junge Menschen, die freiwillig älteren Nachbarinnen und Nachbarn Unterstützung bieten. Solche Modelle werden wir in Zukunft ergänzend brauchen. Gute Nachbarschaft kann entstehen und gestärkt werden durch gemeinsame Feste, durch Mitgestaltung des öffentlichen Raums, dadurch, dass Bewohnerinnen und Bewohner eines Quartiers Verantwortung übernehmen. Nachbarschaftshilfe kann dazu führen, dass Menschen im Alter im Quartier bleiben können. Und das wissen wir aus Befragungen: Das ist im Alter meist der Wunsch Nummer 1. Ich bin neugierig, wohin uns diese Entwicklung einer aktiven Nachbarschaft führen wird – und ich freue mich, wenn Sie sich zusammen mit uns engagieren.

Liebe Teilnehmende, ich habe zu Beginn gesagt, dass es nicht damit getan ist, genügend Pflege-Dienstleistungen anzubieten. Aber verstehen Sie mich bitte nicht falsch: Zivilgesellschaftliches Engagement kann und darf professionelle Pflege nicht ersetzen, sondern immer nur ergänzen. Selbstverständlich braucht es bezahlbare, ambulante und institutionelle Pflegeangebote. Die Bereitstellung dieses Angebots ist in alleiniger Kompetenz des Kantons. Die kantonalen Sparmassnahmen, die das Parlament im Alters- und Behindertenbereich beschlossen haben, erfüllen mich mit Sorge. Einerseits als Politikerin, aber eben auch als Sozialdirektorin der grössten Stadt im Kanton Bern. Mit dem Sparkurs nimmt der Kanton in Kauf, dass die Zugänglichkeit zu Spitex-Leistungen für viele Bernerinnen und Berner erschwert wird. Wir müssen uns als Gemeinde dafür einsetzen, dass wir bei der Ausgestaltung der kantonalen Alterspolitik vermehrt mitbestimmen können. Als Politiker und Politikerinnen müssen wir uns dafür einsetzen, dass auf kantonaler Ebene nicht weiter auf dem Buckel der schwächsten Mitglieder gespart wird. Auch das ist für mich kommunale Alterspolitik. Pflege darf nicht an die Zivilgesellschaft und die Familie – und damit hauptsächlich an die Frauen – delegiert werden. Sondern ich stelle mir eine Stadt vor, in der

  • der der Staat seine Verantwortung trägt und bezahlbare pflegerische ambulante und institutionelle Dienstleistungen zur Verfügung stellt.
  • ergänzende Entlastungs- und Betreuungsangebote über gemeinnützige Organisationen in genügender Quantität und Qualität sozialverträglich zugänglich sind.
  • Jede Frau und jeder Mann selbstverantwortlich zum guten Altern beitragen kann und
  • die Bevölkerung als «sorgende Gemeinschaft» Mitverantwortung für die schwächeren Mitglieder trägt und diese unterstützt.

Dafür will ich mich als Sozialdirektorin einsetzen, denn nur in diesem Zusammenspiel von Staat und Zivilgesellschaft gelingt es, ein gutes Altern zu ermöglichen.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit!

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