Curé Christian Schaller und Freiwillige kochen fürs Sunntigs-Znacht beim Offenen Haus Prairie. Fotos: Ruben Ung

Warmes Essen ist mehr als Essen

Sonntags-Znacht und Take-Away für alle beim Offenen Haus «La Prairie» in Bern

1982 öffnete die "Prairie" als Offenes Haus für alle Menschen. Wegen der Corona-Pandemie musste sie erstmals seit 40 Jahren schliessen. Nun kochen die Pfarrei Dreifaltigkeit und die Stadt jeweils ein Sonntags-Znacht. Und das Prairie-Team serviert von Dienstag bis Freitag ein Take-away. Damit alle Menschen ein warmes Essen bekommen.

"Wir wünschen e Guete - schön sind Sie da!" begrüssen Plakate der Pfarrei Dreifaltigkeit und der Paroisse de langue française zusammen mit der Stadt Bern die Gäste, die am Sonntagabend auf ein warmes Essen warten. In der Küche stehen Pfarrer Christian Schaller, Schwestern der Villa Maria und weitere Freiwillige. Sie bereiten jeden Sonntag für bis zu 60 Leute ein Abendessen zu. Oder es stehen Mitarbeitende von Pinto an den Kochtöpfen. Die mobile Interventionsgruppe der Stadt Bern regte die Sonntagabend-Mahlzeit an, als im Spätherbst 2020 klar wurde, dass viele Menschen auf der Gasse wegen der Pandemie zusätzlich in Not gerieten. Die Pinto-Leute sind im öffentlichen Raum unterwegs, um soziale Konflikte zu entschärfen und den Zugang zu Hilfsangeboten zu vermitteln. Das Bedürfnis nach Gratisessen bei der Prairie steigt, weil die Corona-Pandemie immer mehr Leute in wirtschaftliche Schwierigkeiten bringt. Nun sorgt seit dem 15. November 2020 jede Woche ein Team von rund zehn Personen für das Sunntigs-Znacht.

Wie eine Brotvermehrung

Zwei Kilo Salat, fünf Kilo Reis oder Teigwaren, acht Kilo Fleisch, 30 Liter Tee, acht Liter Suppe und sechs Kilo Brot - die verarbeiteten Mengen an Lebensmitteln steigen mit der Zahl der Gäste am Sonntagabend. Während die Pinto-Crew sich freut, dass ihrer Klientele geholfen wird, zählt für die Pfarrei noch anderes. "Das schönste Erlebnis sind die Gespräche mit Gästen und Helfenden sowie das Erleben, wie sie Wertschätzung erfahren dürfen", erklärt Jeannette von Moos, die Assistentin der Gemeindeleitung in der Dreif, die jeweils freiwillig mitanpackt. Es engagieren sich hier kirchennahe und -ferne Menschen. "Es bereitet mir enorme Freude, für die Gäste am Sonntagabend zu kochen und in viele strahlende und dankende Gesichter zu blicken", beschreibt der Gastronom Patric Moser seinen ehrenamtlichen Einsatz am Prairie-Herd: "Es ist also nicht nur ein Kochen und Servieren von Speisen, sondern ein ernährungs-sozialer Kontext, der mit grosser Menschlichkeit und Gemeinsamkeit einhergeht. Denn schliesslich sind wir alles Menschen mit Bedürfnissen."

Curé Christian Schaller erinnert das Sonntags-Znacht gar an die wunderbare Brotvermehrung. An den Kochtöpfen nimmt er die biblische Aufforderung "Gebt ihnen zu essen" persönlich: "Wir sollten nicht nur über Armut sprechen und predigen, sondern wir wollen etwas tun", erklärt der Pfarrer von Dreifaltigkeit und Paroisse die selbstverständliche Hilfe in der Not.

Notfalls ein Take-away

Riz Casimir mit Poulet oder für Vegis mit Gemüse, dazu ein Fläschchen Wasser. Für ein nahrhaftes warmes Essen sorgt nicht nur das Sunntigs-Znacht von Pfarrei und Pinto. Gleichzeitig hat auch das Prairie-Team neue Lösungen gesucht. Denn die Pandemie zwang das Offene Haus erstmals seit 40 Jahren zu einer Schliessung, weil drinnen Abstände und andere Hygienemassnahmen kaum eingehalten werden können. Zudem mussten die Freiwilligen des Teams geschützt werden, die oft schon älter sind oder Vorerkrankungen aufweisen. "Es tat weh, in der Prairie erstmals keine Weihnachtsfeier durchführen zu können", erinnert sich François Emmenegger vom Hausteam der Prairie.

Nun wird von Dienstag bis Freitag jeden Mittag gratis ein Take-away zubereitet. Auch hier kommen jeweils oft über 50 Gäste vorbei. Schon eine halbe Stunde vor der Essensausgabe um 12.15 Uhr warten Leute auf die Mahlzeit. Sie kommen miteinander ins Gespräch - es ist natürlich nicht derselbe soziale Kontakt wie sonst in den heimeligen Prairie-Stuben. "Aber viermal in der Woche mittags ein warmes Essen in der kalten Jahreszeit schafft doch gemeinsamen Boden", beschreibt François Emmenegger das aus der Not entwickelte Angebot.

Wie seit der Eröffnung des Offenen Hauses im Jahr 1982 wird das Angebot von einem Team von Freiwilligen getragen. Rund 30 Leute helfen abwechslungsweise im Kochteam, im Moment ohne Gästekontakt. Personell enger ist es seit Beginn der Pandemie für das Hausteam mit einem guten Dutzend aktiver Helferinnen und Helfer. Laufend gesucht werden hier vor allem auch Männer, die den Gästen zur Seite stehen. Diese werden weder missioniert noch bevormundet oder "erzogen", betont François Emmenegger: "Bei uns kommst du vorbei, so wie du bist", erklärt der pensionierte Katechet das Credo. Das Offene Haus "La Prairie" war einst ein Sommerhaus auf der grünen Wiese am Aarehang ausserhalb der Stadtmauern. Der damalige Stadtpfarrer Josef Emil Nünlist rettete das Gelände 1927 vor der Spekulation. 1981 wurde eine kirchliche Überbauung samt Prairie-Abriss dank der Initiative junger Leute unter dem Motto "Kirche leben statt bauen" gestoppt. So konnten das Haus und sein Park zu einem wichtigen Ort für Menschen werden, die ein Daheim brauchen. Das beginnt mit einem warmen Essen und einem herzlichen Willkommen.

Karl Johannes Rechsteiner

 

www.laprairiebern.ch

www.dreifaltigkeit.ch 

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