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Einführung städtisches Frauenstimmrecht 1968

Der Kampf für die politische Gleichberechtigung der Frauen in der Schweiz dauert rund hundert Jahre und erfordert zahlreiche Anläufe auf allen politischen Ebenen. 1968 nehmen die Stadtberner Stimmberechtigten das Frauenstimmrecht an, 1970 gehen Frauen erstmals an die Urne. Noch im gleichen Jahr wird die erste Gemeinderätin gewählt. Wenige Monate später, am 7. Februar 1971 erhalten die Frauen auch auf Bundesebene die vollen politischen Rechte.

Eigentlich hätten die Stadtberner Männer den Frauen 1956 endlich  die politischen Rechte zugestanden. Doch die kantonale Abstimmung über das Gemeindefakultativum scheitert an der Urne. Erst im zweiten Anlauf 1968 ermächtigt der kantonale Souverän die Gemeinden zur Einführung des Frauenstimmrechts auf Gemeindeebene.  Am 22. August desselben Jahres beschliesst der Berner Stadtrat die Einführung mit 60 zu 0 Stimmen. Die stimmberechtigten Männer der Stadt Bern folgen diesem Beschluss in der Gemeindeabstimmung vom 29. September 1968 mit 74 Prozent Ja-Stimmen. Auch in der ersten eidgenössischen Abstimmung 1959 wird das Frauenstimmrecht mit zwei Drittel Nein-Stimmen noch wuchtig verworfen. Erst am 7. Februar 1971 erhalten die Frauen endlich die politischen Rechte auf Bundesebene.

In der Stadt Bern kommen 1968 zu den rund 45'000 Stimmbürgern neu 60'000 Stimmbürgerinnen hinzu. Damit können 65 statt 28 Prozent der Bevölkerung ihre demokratischen Rechte wahrnehmen. Dieser Mehraufwand erfordert die Umstellung des  Stimmregisters auf ein elektronisches Datenverarbeitungssystem. So können sich die Bernerinnen 1970 zum ersten Mal an die Urne begeben.

Politik erfordert Übung

Titelbild politischer Leitfaden für Berner Stadtbürgerinnen
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Ende 1969 verteilt der Gemeinderat allen Stimmbürgerinnen den  Politischen Leitfaden für Berner Stadtbürgerinnen (PDF, 2.4 MB). Er ermuntert sie, von ihren neu gewonnenen Rechten Gebrauch zu machen: «Anfänglich mag Ihnen scheinen, all diese Dinge seien zu kompliziert, als dass man sich darin zurechtfinden könne. Lassen Sie sich von diesem ersten Eindruck nicht entmutigen. Es ist mit der Politik ähnlich wie mit dem Autofahren oder dem Maschinenschreiben: Was einem anfänglich kompliziert und verwirrend erscheint, wird durch Übung und Erfahrung zur Selbstverständlichkeit.» 

Der Gemeinderat ist sich sicher: «Ein grosser Teil der Frauen ist mehr auf das häusliche als auf das öffentliche Leben eingestellt und überlässt das Regieren und Verwalten lieber den Männern. So ist kaum zu erwarten, dass in absehbarer Zeit im Stadtrat und im Gemeinderat so viele Vertreterinnen sitzen werden, wie es dem Geschlechterverhältnis innerhalb der Wählerschaft entspräche: 46 Stadträtinnen und 4 Gemeinderätinnen! Theoretisch wäre dies möglich». In der Praxis würden die Frauen sich wohl eher auf den Urnengang beschränken. (Gemeinderat Bern, Politischer Leitfaden für Berner Stadtbürgerinnen, 1969)

Doch die Frauen lernen schnell: Bei der nächsten Gelegenheit machen sie bereits von ihrem passiven Wahlrecht Gebrauch. Und sie werden gewählt.

Wählen und sich wählen lassen

Leni Robert im Ratssaal 1972
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Leni Robert im Ratssaal 1972

Am ersten März 1970 schreiten die Bernerinnen erstmals zur Urne. Noch im gleichen Jahr kommt es zu einer Ersatzwahl für den Gemeinderat. Ruth Geiser-Im Obersteg wird als erste Frau in die Berner Stadtregierung gewählt. Bei den Gemeindewahlen 1971 erlangen zehn Frauen einen Sitz im Berner Stadtparlament. Ihnen wird in ihrer ersten Sitzung am 20. Januar 1972 «von den zwei Stadthostessen als Erinnerung an den historischen Tag ein Geschenk zusammen mit einem kleinen Blumenstrauss überreicht.» (Stadtrat-Protokoll, Sitzung vom 20. Januar 1972)

Zu Ehren der Pionierinnen

Schild Ruth Geiser-Im Obersteg im Stadtratssaal
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Namensschild im Ratssaal, Bild: Uli Nusko

50 Jahre nach ihrem Einzug in die städtische Politik erhalten die erste Gemeinderätin und die ersten Stadträtinnen 2022 Namensschilder im Ratssaal des Berner Rathauses. Diese zieren die ehemaligen Sitzplätze der Politikerinnen und stehen stellvertretend auch für vorangehende Generationen von Pionierinnen. Viele von ihnen haben für die politischen Rechte der Frauen gekämpft, ohne sie selbst je ausüben zu können. An der Treppe im Aufgang zum Ratssaal erinnert ein Schriftzug an die Einführung des Frauenstimmrechts im Kanton Bern.

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