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Geschichte

100 Jahre Kita Altenberg – Einblicke in ihre Geschichte

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Diese Tür heisst seit 100 Jahren Kinder, deren Eltern und die Kita-Mitarbeitenden willkommen. (Stadtarchiv Bern, SAB_SEF_0_20_2: Eingangstür der Kinderkrippe Altenberg, 1925.) Foto: o. A.

Eröffnung – 1925

1925 baute die Stadt auf dem Lagerplatz und im Garten der Fritz Kiener Mech. Bau- & Möbel-Schreinerei für 180'000 Franken das Gebäude mit der Adresse Altenbergstrasse 9. Das Land gehörte der Einwohnergemeinde Bern und war an die Schreinerei vermietet gewesen. Von Anfang an plante man das Haus als Kinderkrippe mit Kindergarten. Sie ersetzte die Kinderkrippe Nydegg, die seit 1899 am Läuferplatz 8 bestanden hatte.1 Diese war zu klein geworden und die hygienischen Bedingungen wurden als ungesund eingestuft. 1920 hatte die öffentliche Hand die Kinderkrippe Nydegg übernommen, weil deren zunächst private Trägerschaft während des Ersten Weltkriegs in finanzielle Schwierigkeiten geraten war.Die Landflucht aufgrund von Agrarkrisen und der damit verbundene Bevölkerungsanstieg in der Stadt führten vor dem Hintergrund der Industrialisierung ab dem 19. Jahrhundert zu einem Überangebot an wenig qualifizierten Arbeitskräften, wodurch deren Löhne tief gehalten werden konnten.3 Die daraus entstehende Existenznot hatte zur Folge, dass in sozio-ökonomisch schlechter gestellten Familien beide Eltern Geld verdienen mussten. Wer schaute dann zu den Kindern?

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Vieles erkennen wir heute wieder, obwohl die Bäume im Garten der Kinderkrippe Altenberg 1925 noch klein sind. (Stadtarchiv Bern, SAB_SEF_0_20_5: Die Nachbarschaft der Kinderkrippe Altenberg, 1925.) Foto: o. A.

Die Betreuung durch Dritte war teuer, weshalb die Kinder oft sich selbst überlassen wurden. Verwahrlosung und «Gassenschlingeltum» waren die Folgen. Ein wenig Abhilfe schafften ab 1828 die durch private Wohltätigkeit initiierten sogenannten Gaumschulen, in denen 3- bis 6-Jährige betreut wurden. 1873 eröffnete ein privates Komitee am Münzgraben die erste Kinderkrippe in der Stadt. 1877 folgte mit dem Kindergarten der Neuen Mädchenschule der erste Kindergarten und 1892 in der Länggasse der erste Kinderhort. Allesamt initiiert und getragen von wohltätigen Privaten. Eine zu geringe Anzahl an Betreuungsplätzen und die hohen Kosten für die Eltern bedeuteten aber, dass deren Situation prekär blieb.4

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Grundriss des Parterres der Kinderkrippe Altenberg aus dem Baubewilligungsgesuch zum Gebäude an der Altenbergstrasse 9 von 1924. (Stadtarchiv Bern, SAB_1038_5_1602: Grundriss aus Baubewilligungsgesuch zur Altenbergstrasse 9, 1924.) Digitalisat.

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Bébésaal im Parterre der Kinderkrippe Altenberg. (Stadtarchiv Bern, SAB_SEF_0_20_12: Schlafzimmer der Kinderkrippe Altenberg, 1925.) Foto: o. A.

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Vermutlich das Wohnzimmer der Leiterin der Kinderkrippe Altenberg. (Stadtarchiv Bern, SAB_SEF_0_20_13: Zimmer der Kinderkrippe Altenberg, 1925. [Notiz auf der Rückseite: «Evtl. nicht in Altenberg, sondern Aaregg».]) Foto: o. A.

Wie müssen wir uns den Alltag früher in der Kinderkrippe Altenberg vorstellen? Schwester Alice Schwarz arbeitete ab 1934 in der Holligenkrippe und seit Beginn der 1950er-Jahre bis zu ihrer Pensionierung 1971 in der Kinderkrippe Altenberg. Zuerst als Säuglingsschwester und danach als Leiterin. Sie berichtet 1995 aus ihrem Berufsalltag:

«Im Bébésaal standen zwölf Bettchen. Wenn die Kinder um 6 Uhr morgens kamen, wurden sie aus hygienischen Gründen alle […] gebadet, und dann erhielten sie Krippenkleider. […] Über die Mittagszeit mussten alle Kinder schlafen. […] [A]uch die älteren, die Höckli. […] Geschlafen haben sie nicht wie heute auf dem Boden, sondern auf Pritschen; überhaupt spielte sich viel weniger auf dem Boden ab.»5

Ein weiterer Unterschied zu heute: Alle Angestellten der Kinderkrippe wohnten im Haus.6

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Alltagszene in der Kinderkrippe Altenberg aus dem Jahr 1942. (Paul Senn-Archiv, PS_B100.10NEN001, 1942) Foto: Paul Senn, FFV, Kunstmuseum Bern, Dep. GKS.

«Glückliche Armut»7 – 1942

Mit diesen Worten ist ein in der Zeitschrift «Schweizer Illustrierte» 1942 erschienener Artikel betitelt. Darin beschreibt Gertrud Burkhalter Szenen des Wiedersehens:

«Und jetzt erscheinen sie, junge Mütter im einfachen Schurz, mit Schafferhänden, geradewegs von der Arbeit kommend. Da ist es ja, ihr Dorli, dort springt der Fredy und Kätheli […]. Sie sind der Lebensinhalt aller dieser Frauen, und der erste Eindruck, den mir diese gaben, war ein seltsam positiver. […] Der Verzicht tagsüber auf das Kind vertieft ihr allabendliches Glück, wenn sie den Gang zur Krippe tun. Das ist eine Freude, die nur ihnen vergönnt ist, den kleinen Müttern mit der grossen Aufgabe, Tag für Tag und Jahr für Jahr ihrem Kind ein Leben aufzubauen.»8

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Alltagszene in der Kinderkrippe Altenberg aus dem Jahr 1942. (Paul Senn-Archiv, PS_K064.01NEN_037, 1942.) Foto: Paul Senn, FFV, Kunstmuseum Bern, Dep. GKS.

Mitte des 20. Jahrhunderts «stellte die ausserfamiliäre Kinderbetreuung noch eine Abweichung von der Norm dar.»9 Denn nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs kehrten Frauen, wenn es ihnen finanziell möglich war, nicht an ihre angestammten Arbeitsplätze zurück, herrschte doch dann das gesellschaftliche Ideal vor, dass nur der Vater einer Erwerbsarbeit nachgeht und einzig die Mutter sich um Kinder und Haushalt kümmert.10

«Krippenkinder – Zweitklasskinder?»11 – 1973

«Könnten Sie während elf Stunden im Tag 15 zwei- bis vierjährige Kinder betreuen? (oder 10 Säuglinge? oder 17 Kindergärteler? Finden Sie nicht auch, dass diese Aufgabe über Ihre Kräfte ginge?»12

Diese Fragen stellten die Jungsozialisten der Stadt Bern 1973 in einer Flugblattaktion der Bevölkerung.13 In begleitenden Zeitungsartikeln schilderten sie die «unerfreulichen Verhältnisse in den Krippen».14 Kritisiert wurden unter anderem die langen Arbeitstage des Personals, die grossen Kindergruppen pro Mitarbeiterin und deren mangelhafte Möglichkeiten zu Aus- und Weiterbildung. Darunter leiden würden vor allem die Krippenkinder, die gemäss städtischer Verordnung nach wie vor in erster Linie aus Einelternfamilien stammten oder deren Eltern beide zum Lebensunterhalt beitragen mussten.15

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Kinder vor der Kita Altenberg anlässlich deren 70-jährigen Bestehens 1995. (Stadtarchiv Bern, SAB_1086_6_68_2: 70 Jahre Jubiläum Kinderkrippe Altenberg, 23.06.1995.) Foto: Monika Flückiger. © Monika Flückiger.

Von der Notlösung zur Freiwilligkeit – 1995

Gegen Ende des 20. Jahrhunderts nahm die Erwerbstätigkeit gut ausgebildeter Mütter zu, ohne dass die «Bereitschaft/Möglichkeit der Männer zur Übernahme von Betreuungsaufgaben» wesentlich anstieg.16 Zeitgleich wurde das traditionelle Bild, Kinder seien für ihre optimale Entwicklung ausschliesslich durch ihre Mütter zu betreuen, zunehmend hinterfragt. Folglich stieg die Nachfrage nach familienergänzender Kinderbetreuung auch in der Mittelschicht an.17 In diesem Zug wandelte sich die Wahrnehmung der Kinderkrippen in der Gesellschaft:

«Sie waren nicht mehr als Aufbewahrungsort für Unterschichtskinder verpönt, sondern galten ab den 1990er-Jahren auch in sozial besser gestellten Kreisen als akzeptable Betreuungsmöglichkeit. Zeichen dafür waren die sich schnell verlängernden Wartelisten, die Initiativen zur Eröffnung neuer Krippen sowie die Umbenennung der Kinderkrippen in Kindertagesstätten (Kitas).»18

«Gehobene Appartements»19 statt Kita – 2008

Schock und Unmut unter den Betroffenen waren gross: Die Sozialdirektion hatte entschieden, die Kita Altenberg per Herbst 2010 zu schliessen und in eine neue grössere Kita an der Laubeggstrasse 23 zu integrieren. Der Beschluss wurde damit begründet, dass eine grössere Kita wirtschaftlicher arbeiten könne, Synergien schaffe und dass der neue Standort besser durch den öffentlichen Verkehr erschlossen sei. Im herrschaftlichen Haus an der Altenbergstrasse 9 sollte stattdessen nobler Wohnraum entstehen. Dies erfuhr eine Kita-Angestellte durch Zufall, die Zeitung «Der Bund» machte es im März 2008 publik. Daraufhin engagierten sich die Betroffenen und Sympathisierende gegen den Beschluss und reichten die Petition «Keine Luxuswohnungen auf Kosten der Kinderbetreuung: Kita Altenberg bleibt!» mit über 11'500 Unterschriften ein. Der Entscheid war vielen vor allem deswegen unbegreiflich, weil zu diesem Zeitpunkt über 700 Kinder auf einen Kitaplatz warteten. Im Dezember 2008 wurde klar: Die Kita Altenberg bleibt. Um die Wartelisten abzubauen, verzichtete der Gemeinderat auf die Schliessung der Kita Altenberg, die neue Kita an der Laubeggstrasse 23 sollte zusätzlich entstehen. Möglich wurde dies durch einen Beschluss des Stadtrats, der im Budget 2009 die Aufstockung um 80 Betreuungsplätze vorsah.20

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Der Garten der Kita Altenberg wie ihn die Kinder heute bespielen können. Foto: Lilian Salathé. © Lilian Salathé, Stadt Bern.

Willkommen in der Kita Altenberg – 2025

Bis die Kinder ungefähr 2 Jahre alt sind, werden sie in der Kleinstkindergruppe Bäremutzli betreut. 2- bis 5-Jährige verbringen in den zwei altersgemischten Gruppen Mulino und Kieselsteine den Tag. Für Kinder im Kindergartenalter besteht seit 2018 der erste öffentliche Ganztageskindergarten der Stadt in der Kita Altenberg. 2025 wurden die Kita Matte und die Kita Altenberg zusammengelegt.21

 

Literatur- und Quellenverzeichnis:

Die Quellennachweise der Bilder sind in der jeweiligen Bildlegende angegeben.

1 Bähler, A. & Lüthi, C. (2003). Unterschiedliche Lebensweisen auf engstem Raum: Die vielfältige Bildungslandschaft. In S. Bühler, E. Erne, C. Lüthi, A. Bähler & R. Barth (Hrsg.), Bern – die Geschichte der Stadt im 19. und 20. Jahrhundert: Stadtentwicklung, Gesellschaft, Wirtschaft, Politik, Kultur (S. 275–276). Stämpfli; Göttin, T. & Bonanomi, K. (1995). 70 Jahre Kinderkrippe Altenberg: Jubiläumszeitung. Kinderkrippe Altenberg, S. 6-7.
2 Leemann, R. (2003). Geschichte der familienergänzenden Tagesbetreuung der Vorschulkinder in der Stadt Bern 1870-2003. (Stadtarchiv Bern, SAB_1111_9_26: [1/6] Geschichte der städtischen Kindertagesstätten).
3 Leemann, 2003.
4 Tögel, B. (2004). Die Stadtverwaltung Berns: Der Wandel ihrer Organisation und Aufgaben von 1832 bis zum Beginn der 1920er Jahre. Chronos Verlag, S. 212-223.
5 Göttin & Bonanomi, 1995, S. 11.
6 Göttin & Bonanomi, 1995, S. 11.
7 Burkhalter, G. (1942). Glückliche Armut: Ein Besuch in der Kinderkrippe Altenberg in Bern. Schweizer Illustrierte, Nr. 30, S. 943.
8 Burkhalter, 1942, S. 945.
9 Tomczak-Plewka, A. (2005, 18. Juni). Das Kind im Strassengraben. Berner Zeitung (BZ). (Stadtarchiv Bern, SAB_1111_9_26: [6/6] Geschichte der städtischen Kindertagesstätten).
10 Leemann, 2003.
11 Jungsozialisten der Stadt Bern. (1973, 26. Mai). Krippenkinder – Zweitklasskinder? Jungsozialisten informieren über bernische Krippen. Berner Zeitung (BZ), Nr. 122, o. S. (Stadtarchiv Bern, SAB_D1_2499 – Kinderkrippen). [ð Jungsozialisten der Stadt Bern, 1973a].
12 Jungsozialisten der Stadt Bern. (1973). Krippenkinder – Zweitklasskinder? [Flugblatt]. (Stadtarchiv, SAB_D1_2499 – Kinderkrippen). [ð Jungsozialisten der Stadt Bern, 1973b].
13 Jungsozialisten der Stadt Bern, 1973b.
14 Jungsozialisten Bern-Stadt. (1973, 26. Mai). Die Kinderkrippe - was ist das? Berner Tagwacht, Nr. 122. (Stadtarchiv, SAB_D1_2499 – Kinderkrippen).
15 Jungsozialisten Bern-Stadt, 1973; Jungsozialisten der Stadt Bern, 1973a; Jungsozialisten der Stadt Bern, 1973b.
16 Bähler & Lüthi, 2003; Leemann, 2003.
17 Bähler & Lüthi, 2003, S. 275.
18 Bähler & Lüthi, 2003, S. 276.
19 Schori, P. (2008, 14. März). Steuerzahler statt Kinder: Die Stadt Bern schliesst die Kita Altenberg und plant stattdessen noble Wohnungen. Der Bund, o. S.
20 Ott, B. (2008, 19. Dezember). Kita Altenberg bleibt. Der Bund. Abgerufen am 13. Mai 2025, von https://www.derbund.ch/kita-altenberg-bleibt-987973660824; Gehriger, I. (2008, 24. April). Eltern kämpfen um ihre Kita: Betroffene wehren sich mit einer Petition gegen die Schliessung der Stadtberner Kindertagesstätte Altenberg. Der Bund; Schori, 2008.
21 Steiner, J. (2018, 18. August). Kinderbetreuung à la carte. Berner Zeitung (BZ), S. 5; Kita Altenberg. (o. D.). Gruppen der Kita Altenberg. Abgerufen am 20. Mai 2025, von https://www.bern.ch/themen/kinder-jugendliche-und-familie/kinderbetreuung/kitas-stadt-bern/angebot/unsere-kitas/kita-alteberg/gruppen.


Herzlichen Dank an alle involvierten Mitarbeitenden der Stadt Bern, der Archive und an die Fotograf*innen.


Bern, 23. Mai 2025, Alice Stirnimann.

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