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Christoph Schneeberger

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Christoph Schneeberger tanzte unter verschiedenen Namen auf vielen Hochzeiten. Die über Jahre an den Morgen danach entstandenen Texte aus dem Untergrund der Raves, aus dem Leben als politischer Aktivist und Drag Queen flossen in seinen ersten Roman «Neon Pink & Blue» ein. Er hat das Literaturinstitut in Biel und Contemporary Arts Practice in Bern abgeschlossen. Christoph Schneeberger wird aufgrund seines entpuppenden, flirrend eigenständigen und traumtänzerischen Schreibens mit einem Weiterschreiben Stipendium ausgezeichnet.

Laudatio der städtischen Literaturkommission

Wer erzählt, hat überlebt

Diesen Herbst hat Christoph Schneeberger sein Romandebüt veröffentlicht. Es trägt den Titel «Neon Pink & Blue» und ist ein Konglomerat aus Liedern, Zitaten und Denkansätzen der Queer-Theorie, aus Recherchiertem, vermutlich Erdachtem und teilweise Erinnertem. Schliesslich sei man «ein Deserteur eines nichtdeklarierten Krieges, so fühle es sich bald an, jenem von Erinnern und Vergessen. Man habe sich nicht entscheiden können – zwischen Vergessen und Erinnern.» Gemäss seiner Autorenbiografie hat Schneeberger «über Jahre an den Morgen danach» entstandene Texte «aus dem Untergrund der Raves, aus dem Leben als politischer Aktivist und Drag Queen» in eine sorgfältige Dekonstruktion der Schweizer Postkartenidylle verwoben.

Erinnerungen aus dem Vogelsang, «von wo alles gleich weit weg erscheint, als wäre es die Mitte der Welt» decken Scheinheiligkeit, latenten Rassismus und mehr oder weniger subtile Ausgrenzung auf. Nicht nur gegenüber dem Autoren Christoph oder, wie er sich später auch nennt, X, der dort aufgewachsen ist und gern «ein Mädchen gewesen, geworden wär», auch gegenüber dem Organisten Perez, der dem Heranwachsenden einst Hoffnung gegeben hatte, auch einen Platz in der Gemeinschaft zu finden und dessen Homosexualität schliesslich für einen grösseren Skandal sorgte, als seine Ermordung. Oder auch gegenüber Frau Strada, deren wahre Herkunft bei ihrer Beerdigung vielleicht aus Scham oder einfach dem Frieden zu liebe verschwiegen, nein, verfälscht wird.

Manche Passagen aus diesem Roman lösen Betroffenheit, Scham, Wut und Trauer aus. Und finden im Text ein Gegenüber, wenn es heisst: «Es gebe eine Wut und Trauer, der komme man höchstens erzählend bei.» Doch «Neon Pink & Blue» ist keine Abrechnung, vielmehr ein Versuch Geschichte einzuschreiben und stellenweise gar, sie zu überschreiben – zu erzählen, was nicht erzählt wird und wie noch nicht erzählt wurde. Es ist auch ein Versuch, die Sprache der Liebe wiederzufinden. Und dabei auch die eigene Identität. Es ist ein Roman, der autobiografische Züge trägt, jedoch selten die Ich-Form verwendet. Dieses «man», «es», «mensch», manchmal «sie» und selten «ich», die, «die immer mitgemeint im man, und doch nicht zur Sprache kommt», erhebt die Stimme und erhält dadurch eine Stimme. Denn «wer erzählt, hat überlebt.» Die Literaturkommission der Stadt Bern freut sich über diese wache neue Stimme und hofft, von ihr noch viel erzählt zu bekommen. Sie zeichnet Christoph Schneeberger mit einem Weiterschreiben Stipendium aus.

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