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Abschliessung von Zünften und Bürgerschaft

Die Handwerksgesellschaften waren bestrebt, nur noch vermögende, in Bern ansässige Handwerker aufzunehmen.

Eine weitere Ursache für die rückläufige Einwohnerzahl in Bern während des 15. Jahrhunderts (Rückgang und Stagnation im 15. Jahrhundert) war die von den Zünften (Zünfte und Gesellschaften) betriebene Politik der wirtschaftlichen und sozialen Abschliessung.[1] Das städtische Handwerk sollte nach den Forderungen der Handwerksgesellschaften durch restriktive Aufnahmebedingungen vor jeglicher auswärtigen Konkurrenz geschützt und der Erwerb der Meisterschaft zunehmend nur noch auf die in der Stadt ansässigen Handwerker begrenzt werden. Vor allem die ökonomisch führenden Gesellschaften bemühten sich entsprechend ihrem wachsenden politischen Einfluss, das Stubenrecht auf eine immer kleinere Zahl möglichst wohlhabender Männer zu beschränken. Die von ausserhalb nach Bern migrierenden Handwerksgesellen sahen sich deshalb im Verlauf des 15. Jahrhunderts mit wachsenden finanziellen Ansprüchen konfrontiert, wenn sie sich in Bern niederlassen wollten, um den Meistertitel zu erwerben. Immer häufiger waren die Gesellen sogar dazu genötigt, eine Tochter oder Witwe eines stadtsässigen Handwerksmeisters zu heiraten, um überhaupt noch in eine der Stubengesellschaften aufgenommen zu werden.[2]

Handwerksordnung von 1427

Erstmals erkennbar wird diese gegen fremde Konkurrenz gerichtete Politik der Zünfte in einer um 1427 von schultheiss, der rat und die zwoyhundert gemeinlich der statt Bern beschworenen Handwerksordnung. In dieser erhöhte der Rat die Aufnahmegebühren für neue Handwerksmeister, deren Väter oder Brüder der betreffenden Gesellschaft bisher noch nicht angehört hatten, von rund einem halben Gulden auf maximal 6 Gulden. Gleichzeitig hatten die neu in eine Zunft aufgenommenen Stubengesellen ihren Berufskollegen jeweils mehrere Mass Wein für ihren Einstand zu spendieren.[3] Obwohl die von den Handwerksmeistern geforderte Erhöhung der Aufnahmegebühren ausdrücklich auf jene Zünfte beschränkt blieb, die eigene hüser und husrat hant, bedeutete der Ratsbeschluss von 1427, dass sich die ökonomisch führenden Gesellschaften in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts gegen die Zuwanderung auswärtiger Handwerker abschlossen und den Erwerb des Meistertitels zunehmend auf die Angehörigen der eigenen Zunftmitglieder beschränkten. Die Handwerksmeister setzten die Höhe der Aufnahmegebühren so hoch an, dass beispielsweise ein zugewanderter Zimmermannsgeselle bei einem Taglohn von 3 Schillingen rund 50 Tage hätte arbeiten müssen, um die von den Zünften veranschlagten 6 Gulden aufbringen zu können.[4] Keinerlei Aufnahmegebühren bezahlten hingegen die Angehörigen der in Bern ansässigen Zunftmitglieder, die sich – wie dies bereits die Handwerksordnungen des 14. Jahrhunderts festlegten, lediglich mit einer Weinspende um den Eintritt in eine Gesellschaft zu bemühen hatten.

Verbot der Mitgliedschaft in mehreren Zünften

Ausgangspunkt für die verstärkten Abschliessungstendenzen der Zünfte im 15. Jahrhundert war deren wachsende politische Bedeutung (Politische Bedeutung der Zünfte).[5] Dies ermöglichte es ihnen, als Rekrutierungsbasis für alle wichtigen kommunalen Ämter wie jene des Schultheissen und der Venner (Ratsämter und Behörden) zu dienen. Zahlreiche Bürger liessen sich deshalb gleichzeitig in zwei oder drei Gesellschaften einschreiben, um ihre Chancen in ein städtisches Amt gewählt zu werden zu vergrössern. Bereits im Jahre 1405 versuchte der Rat, gegen die Zugehörigkeit in mehreren Zünften vorzugehen, indem er bestimmte, dass jeder Bürger, er sy rich oder arm, in Zukunft höchstens noch zwei verschiedenen Gesellschaften angehören durfte.[6] In der Handwerksordnung von 1427 wurde diese Bestimmung schliesslich erneuert, wobei die Schützengesellschaft als einzige städtische Zunft von dieser Einschränkung ausgenommen blieb.[7] Die strikte Verbindung zwischen Handwerk und Zunftzugehörigkeit, wie dies im 14. Jahrhundert noch die Regel gewesen war, wurde auf diese Weise allmählich zugunsten einer sozial und politisch motivierten Mitgliedschaft in einer der führenden Stubengesellschaften aufgegeben. Vor allem die vier Vennergesellschaften (Vennergesellschaften und Vennerviertel) der Metzger, Gerber, Pfister und Schmiede zeigten sich im Verlauf des 15. Jahrhunderts immer weniger dazu bereit, ihr Stubenrecht gegenüber auswärtigen Handwerkern zu öffnen.[8]

Roland Gerber, 13.11.2017



[1]    Vgl. dazu auch Ernst Kelter: Das deutsche Wirtschaftsleben des 14. und 15. Jahrhunderts im Schatten der Pestepidemien, in: Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik 165 (1953), S. 183-195, hier 188-195.

[2]    Zur Heirat von Meistertöchtern und -witwen vgl. Erich Maschke: Die Unterschichten der mittelalterlichen Städte Deutschlands, in: Gesellschaftliche Unterschichten in den südwestdeutschen Städten, hg. von Erich Maschke und Jürgen Sydow (Veröffentlichungen der Kommission für geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg, Reihe B: Forschungen 41), Stuttgart 1967, S. 1-74, hier 41f.; sowie Edith Ennen: Die Frau in den spätmittelalterlichen Stadtgesellschaften Mitteleuropas, in: Hansische Geschichtsblätter 98 (1980), S. 9f.

[3]    SSRQ Bern I/2, Nr. 230, S. 102-104.

[4]    Roland Gerber: Öffentliches Bauen im mittelalterlichen Bern. Verwaltungs- und finanzgeschichtliche Untersuchung über das Bauherrenamt der Stadt Bern 1300 bis 1550 (Archiv des Historischen Vereins des Kantons Bern 77), Bern 1994, S. 33. Zu Handwerkerlöhnen im Spätmittelalter vgl. auch Ulf Dirlmeier: Zu Arbeitsbedingungen und Löhnen von Bauhandwerkern im Spätmittelalter, in: Göttinger Beiträge zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte 9 (1983), S. 35-54; sowie allgemein ders.: Untersuchungen zu Einkommensverhältnissen und Lebenshaltungskosten in oberdeutschen Städten des Spätmittelalters, Mitte 14. bis anfangs 16. Jahrhundert (Abhandlungen der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, philosophisch-historische Klasse 1), Heidelberg 1978, S. 99-129.

[5]    Vgl. dazu auch Knut Schulz: Die politische Zunft eine die spätmittelalterliche Stadt prägende Institution? in: Verwaltung und Politik in Städten Mitteleuropas. Beiträge zu Verfassungsnorm und Verfassungswirklichkeit in altständischer Zeit, hg. von Wilfried Ehbrecht (Städteforschung, Reihe A: Darstellungen 34), Köln/Weimar/Wien 1994, S. 1-20.

[6]    SSRQ Bern I/2, Nr. 62, 31.

[7]    SSRQ Bern I/2, Nr. 230, S. 102-104.

[8]    François de Capitani: Adel, Bürger und Zünfte im Bern des 15. Jahrhunderts (Schriften der Berner Burgerbibliothek 16), Bern 1982, S. 81-88.

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