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Pestzüge 1478 bis 1493

Den drei Pestzügen zwischen 1478 und 1493, welche von Lebensmittelteuerungen begleitet wurden, fielen über 2'000 Stadtbewohner zum Opfer.

Die nächsten schweren Epidemien trafen die Stadt Bern in den Jahren nach den Burgunderkriegen von 1475/76. Diese wurden durch verschiedene Naturkatastrophen wie Überschwemmungen[1], Erdbeben[2] und Sturmwinde[3] begleitet. Zwischen 1478 und 1493 kam es zu insgesamt drei verheerenden Seuchenzügen, während denen über 2‘000 Stadtbewohner ihr Leben verloren. Die Zahl der Todesopfer erreichte Werte wie während der grossen Pest von 1349 (Schwarzer Tod 1349). Die erste Krankheitswelle erfasste Bern am 25. Juli 1478. Dieser erlagen nach den Angaben Diebold Schillings neben vil treffenlicher lüten von geistlichen und weltlichen Stand insbesondere zahlreiche Kinder. Das Sterben dauerte insgesamt fast zwei Jahre, was den Rat dazu veranlasste, in Stadt und Landschaft zahlreiche Messen und Bussgottesdienste zu verordnen.[4] Eines der prominentesten Opfer dieser Epidemie war der amtierende Schultheiss Adrian von Bubenberg, der im Spätsommer 1479 verstarb.[5]

Seuchenzug vom Frühling 1483

Nachdem bereits im Sommer 1482 eine epidemische Krankheit etliche Tote, diesmal vor allem Frauen, und Hunderte von Kranken gefordert hatte, wurde die Stadt im Frühling 1483 erneut von einem Seuchenzug heimgesucht. Wiederum dauerte das Sterben eineinhalb Jahre und kostete noch einmal zahlreiche Menschenleben.[6] Diesmal waren alle Bevölkerungsschichten, ob alt oder iung, gleichermassen vom Sterben betroffen. Die Krankheit befiel insbesondere auch mehrere Ratsherren, namentlich den Stadtschreiber und Juristen Thüring Fricker, auf dessen Empfehlung sich der Berner Rat sogar Hilfe suchend an den Grafen Eberhard von Württemberg wandte und diesen bat, seinen gelehrten Leibarzt Thomas Russ in die von Krankheit und Tod heimgesuchte Stadt zu schicken.[7]

Grosses Sterben im Sommer und Herbst 1493

Die weitaus heftigste Pestwelle des 15. Jahrhunderts traf Bern im Sommer und Herbst 1493. Valerius Anshelm bezifferte die Zahl der Todesopfer auf rund 1‘500 Personen, wobei allein der Kleine Rat mit Junker Georg vom Stein, Urban von Muhleren, Benedikt Tschachtlan, Sulpitius Brüggler, Gilian Achshalm und Peter Simon insgesamt sechs prominente Tote zu beklagen hatte.[8]

Lebensmittelteuerungen als Folge der Seuchenzüge

Auch die Seuchenzüge von 1378/79, 1482/83 und 1493 wurden von Lebensmittelteuerungen begleitet. Bereits 1477 sahen sich Schultheiss und Rat wegen des anhaltenden Mangels an Brotgetreide dazu genötigt, in Strassburg rund 4‘500 Mütt[9] Weizen und Roggen einzukaufen und diesen mit grossen Kosten nach Bern zu transportieren. Nach Diebold Schilling konnte der Rat die entstandenen Ausgaben jedoch mit dem gelt von Frankenrich von der pension ohne grössere Probleme finanzieren.[10] Da der Sommer 1479 ausserdem sehr trocken ausfiel und deshalb eine gute Korn- und Weinernte eingebracht werden konnte, blieb die während der Seuche herrschende Teuerung ohne grössere Auswirkungen auf die Stadt.[11]

Die Metzger wehren sich gegen Preiskontrollen des Rats

Anders verhielt es sich mit den Lebensmittelteuerungen während der beiden Epidemien von 1482/83 und 1492. Bereits ein Jahr vor Ausbruch der Krankheit 1482 sah sich der Rat dazu veranlasst, die Ausfuhr von Korn, Butter und Wein aus dem städtischen Herrschaftsgebiet sowie den so genannten Fürkauf, das heisst, den spekulativen Erwerb von Getreide, zu verbieten.[12] Gleichzeitig wies er die Klöster auf dem Land an, ihre Kornvorräte auf den städtischen Markt zu transportieren, wo das Getreide zu einem festgelegten Tarif  zu verkaufen war.[13] Daneben versuchte der Rat die Versorgung der Stadtbevölkerung mit einer verstärkten Preiskontrolle bei Brot, Fleisch und Wein sicherzustellen. Trotzdem nahmen einzelne Bäcker (Bäcker), Müller (Kornmüller) und Metzger (Metzger) die Lebensmittelteuerung zum Anlass, um mit Hilfe gegenseitiger Absprachen die Preise für Brot und Fleisch künstlich hochzutreiben.[14] Die Metzger beschlossen nur dann noch frisches Fleisch anzubieten, wenn andere Zunftmitglieder ihr Fleischangebot ebenfalls verkauft hatten.[15] Der Rat reagierte auf diese Machenschaften, indem er die drei Handwerke im Mai 1482 unter die verstärkte Kontrolle spezieller Ratskommissionen stellte und die Preise für Brot wie für Fleisch durch einheitliche Tarife reglementierte. Als weitere Massnahme verurteilte er acht des unlauteren Wettbewerbs beschuldigte Metzgermeister zur Bezahlung einer Busse von 50 Pfund. Diese mussten bei den Heiligen schwören, in Zukunft ohne die Erlaubnis des Rats keine Preisabsprachen mehr vorzunehmen.[16]

Protestaktion der Bäcker

Auch während der Epidemie von 1492 kam es infolge schlechter Witterung zu einer verstärkten Lebensmittelteuerung.[17] Nachdem der Rat die in Bern ansässigen Bäcker und Müller im Frühling 1491 erneut dazu aufgefordert hatte, Brotgetreide nur noch gegen einen von der Stadt verordneten Höchstpreis zu verkaufen, beschlossen rund 60 in der  Pfisterngesellschaft zusammengeschlossene Bäcker, ihre Arbeit aus Protest gegen diese Ratsverordnung kurzerhand niederzulegen.[18] Um einen Aufruhr zu verhindern, waren Schultheiss und Rat (Schultheiss und Rat) daraufhin gezwungen, das Getreide auf dem Land zu Brot backen zu lassen, was für den Stadthaushalt wegen der zusätzlichen Transporte erhebliche Mehrkosten verursachte. Am 25. Mai 1491 kam es schliesslich zu einem Kompromiss zwischen den streitenden Parteien. Die Mehrheit der Bäckermeister unterwarf sich der vom Rat erlassenen Bäckerordnung. Einzig fünf Meister blieben unbeugsam und schworen, dass sie bis uf ir herren gnad nüt ze bachen mehr gedächten.[19]

Roland Gerber, 13.11.2017



[1]    Gustav Tobler (Hg.): Die Berner Chronik des Diebold Schilling 1468-1484, 2 Bde., Bern 1897/1901, hier Bd. 2, Nr. 388, S. 234-240 (20. Juli 1480).

[2]    Ders., Bd. 2, Nr. 391, S. 243 (5. August 1480).

[3]    Ders., Bd. 2, Nr. 392, S. 243 (25. Dezember 1480) und Nr. 394, S. 245 (Sommer und Winter 1481).

[4]    Ders., Bd. 2, Nr. 364, S. 193ff.

[5]    Alfred Zesiger: Die Pest in Bern, Bern 1918, S. 3.

[6]    Gustav Tobler (Hg.): Die Berner Chronik des Diebold Schilling 1468-1484, 2 Bde., Bern 1897/1901, Bd. 2, Nr. 414, S. 271ff.

[7]    Deutsches Missivenbuch E, Nr. 235, Staatsarchiv Bern, AIII 7.

[8]    Die Berner Chronik des Valerius Anshelm, 6 Bde., Bern 1884-1901, hier Bd. 1, S. 425.

[9]    Ein Mütt wurde in Bern auf 12 Mäss und 48 Immi gerechnet, wobei ein Mütt ungefähr 14 Litern entsprach; Robert Tuor: Mass und Gewicht im Alten Bern (inkl. Waadt, Aargau und Jura), Bern/Stuttgart 1977, S. 63-75.

[10]  Gustav Tobler (Hg.): Die Berner Chronik des Diebold Schilling 1468-1484, 2 Bde., Bern 1897/1901, hier Bd. 1, Nr. 355, S. 177f.

[11]  Ders., Bd. 2, Nr. 365, S. 195; sowie Hans Morgenthaler: Teuerungen und Massnahmen zur Linderung ihrer Not im 15. Jahrhundert, in: Archiv des Historischen Vereins des Kantons Bern 26 (1921/22), S. 1-66, hier S. 7-22.

[12]  Ders., Bd. 1, S. 228; sowie Hans Morgenthaler: Teuerungen und Massnahmen zur Linderung ihrer Not im 15. Jahrhundert, in: Archiv des Historischen Vereins des Kantons Bern 26 (1921/22), S. 1-66, hier S. 22-40.

[13]  Die Berner Chronik des Valerius Anshelm, 6 Bde., Bern 1884-1901, hier Bd. 1, S. 225 f.

[14]  In Schaffhausen wehrten sich die Metzger 1472 ebenfalls gegen die Tarifpolitik des Rates, indem sie in den Streik traten; Oliver Landolt: Der Finanzhaushalt Schaffhausens im Spätmittelalter, Dissertation maschinenschriftlich, Zürich 1998, S. 13.

[15]  Hans Morgenthaler: Bilder aus der älteren Geschichte der Stadt Bern, Bern 1935 (2. Auflage), S. 183.

[16]  Die vom Rat beschuldigten Metzgermeister waren bei Obermetzgern: Anton Brosemli, Bartholomäus Bütschelbach, Rudolf Sigrist und Henmann Edel; sowie bei Niedermetzgern: Rudolf Hagelstein, Peter Wishan, Ulrich Hechler und Ludolf Schalk; Die Berner Chronik des Valerius Anshelm, 6 Bde., Bern 1884-1901, hier Bd. 1, S. 226 ff.

[17]  Zu den Teuerungen von 1489 bis 1493 vgl. Hans Morgenthaler: Teuerungen und Massnahmen zur Linderung ihrer Not im 15. Jahrhundert, in: Archiv des Historischen Vereins des Kantons Bern 26 (1921/22), S. 1-66, hier S. 40-55.

[18]  Hans Morgenthaler: Teuerungen und Massnahmen zur Linderung ihrer Not im 15. Jahrhundert, in: Archiv des Historischen Vereins des Kantons Bern 26 (1921/22), S. 53f.; sowie ders., Bilder aus der älteren Geschichte der Stadt Bern, Bern 1935 (2. Auflage), S. 186f.

[19]  Die Berner Chronik des Valerius Anshelm, 6 Bde., Bern 1884-1901, Bd. 1, S. 392.

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