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Wach- und Wehrpflicht

Neben der Teilnahme an militärischen Auszügen gehörte die Leistung von Wachdiensten zu den üblichen Bürgerpflichten.

Neben der Leistung von Steuern und Abgaben (Steuerpflicht) gehörte der Wach- und Wehrdienst zu den wichtigsten Bürgerpflichten (Bürgerpflichten). Bereits im 13. Jahrhundert versammelten sich wehrpflichtige Bürger bei militärischen Bedrohungen in der Kreuzgasse, um von dort aus rasch gegen drohende Angriffe vorzugehen.[1] Den Oberbefehl über die städtischen Kriegsmannschaften hatte der Schultheiss, während die Venner (Venner) als Vorsteher der vier Stadtviertel (Stadtviertel) für Ausrüstung und Kontrolle der kriegstüchtigen Bürger zuständig waren. In Krisenzeiten bildeten Schultheiss, Venner und Heimlicher jeweils einen speziellen Kriegsrat, der mit besonderen Vollmachten ausgestattet war.[2] In Friedenszeiten gehörte der Wachdienst, das heisst, die regelmässige Besetzung von Stadttoren und Stadtmauern, zu den Bürgerpflichten. Wachdienste mussten alle stadtsässigen Bürger unabhängig ihres sozialen Status unter der Aufsicht der Venner leisten. Einzig der Schultheiss wurde während seiner Amtszeit von der allgemeinen Wachpflicht ausgenommen.[3] Bei äusseren Bedrohungen war er jedoch wie alle anderen Bürger verpflichtet, mit sin selbs lib auf den Stadtmauern Wache zu halten.[4]

Wie in anderen Städten wurde der ordentliche Wachdienst auch in Bern seit dem 14. Jahrhundert zunehmend von bezahlten Söldnern geleistet.[5] In Kriegszeiten oder bei militärischen Auszügen behielt der Wach- und Wehrdienst der Bürger jedoch seine wichtige Bedeutung für die Stadtbevölkerung. Der Besitz von Waffen und Harnisch gehörte während des gesamten Mittelalters zu den Voraussetzungen, um in den privilegierten Rechtsverband der Bürger aufgenommen zu werden (Aufnahme ins Bürgerrecht).[6] Der Erwerb von Waffen war mit erheblichem finanziellen Aufwand verbunden, sodass der Rat wehrpflichtige Bürger immer wieder dazu anhalten musste, sich mit ausreichend Kriegsgerät auszurüsten.

Der Rat duldet keine privaten Fehden einzelner Bürger

Erstmals in Zusammenhang mit dem Bürgerrecht erwähnt wird der Besitz von Harnisch und Waffen in einer Satzung von 1387. In dieser werden die neu in den Rat der Zweihundert (Rat der Zweihundert) gewählten Männer dazu aufgefordert, innerhalb von 14 Tagen das Bürgerrecht zu erwerben und einen vollständigen Harnisch mit Panzer, Helm, Kettenhemd und Blechhandschuhen anzuschaffen.[7] Den übrigen, ausserhalb der Ratsgremien stehenden Bürgern gewährte der Rat eine Frist von zwei Jahren, in der sie ihre während der letzten beiden Stadtbrände verbrannten Harnische, wie sie dies beim Erwerb des Bürgerrechts in iren eiden und eren geschworen hatten (Bürgerreid), ersetzen mussten.[8] Um die Verteidigungsbereitschaft jederzeit gewährleisten zu können, war der Rat bemüht, die unautorisierte Teilnahme an fremden Kriegsdiensten oder Fehden zu verbieten. Vor allem bei den stadtsässigen Adelsgeschlechtern (Weltliche und geistliche Gerichtsherren) bestand die Gefahr, dass sie in militärische Auseinandersetzungen verwickelt wurden und dadurch die Sicherheit der Stadtgemeinde gefährdeten. Aber auch wohlhabende Kaufmanns- und Notabelnfamilien unternahmen immer wieder Kriegszüge gegen Bürger anderer Städte oder räuberische Adlige, die Kaufmannskarawanen überfielen. Schultheiss und Rat (Schultheiss und Rat) versuchten deshalb, sich vor Repressalien auswärtiger Personen zu schützen, indem sie jene Bürger, die ausserhalb des städtischen Rechts- und Friedensbezirks (Stadtrecht) eine Fehde austrugen, kurzfristig aus dem Bürgerrecht entliessen. Sie kündigten den betroffenen Bürgern für eine gewisse Zeit den rechtlichen und militärischen Schutz der Stadt, die damit in eigener Verantwortung handelten.

Jeder Bürger muss mindestens einen Armschutz, Lederhandschuhe und eine Hellebarde besitzen

Wie bei der Steuerpflicht war der Rat auch bei der Wach- und Wehrpflicht bestrebt, diese bis zum Ende des Mittelalters auf alle erwachsenen Männer in Stadt und Landschaft auszudehnen.[9] Zwei Jahre nach dem grossen Stadtbrand von 1405 (Grosser Stadtbrand von 1405) verordnete er, dass alle Einwohner, so manhaft sind und der stat recht haben wollten, sich mindestens mit einem ledernen Armschutz, zwei Lederhandschuhen und einer Hellebarde auszurüsten hätten.[10] Zudem mussten alle vermögenden Stadtbewohner bis zum 2. Februar des folgenden Jahres einen Harnisch erwerben. Verstösse gegen diese Bestimmungen ahndete der Rat mit einer Busse von einer Mark Silber als Gegenwert für den geschuldeten Harnisch. Eine etwas längere Frist bis zum 1. Mai 1408 wurde Witwen (Bürgerinnen) und Insassen städtischer Klöster (Geistliche Niederlassungen) eingeräumt. Die Venner (Venner) wies der Rat an, jedes Jahr persönlich in die Haushalte der in den Stadtvierteln wohnenden wehrpflichtigen Männer zu gehen und deren militärische Ausrüstung zu inspizieren. Gleichzeitig verbot er Verkauf und Verpfändung von Harnisch und Waffen an Juden oder Lombarden (Geldhändler und Wechsler).

Roland Gerber, 12.07.2018



[1]    Gottlieb Studer (Hg.): Die Berner Chronik des Conrad Justinger, Bern 1871, Nr. 52, S. 31 (Mai 1288).

[2]    Dis ist, wie die heimlicher und venre gewalt hant, ze tunne und ze lässen was si ir bescheidenheit wiset; SSRQ Bern I/2, Nr. 221, S. 93f. (7. Januar 1371).

[3]    SSRQ Bern I/2, Nr. 67, S. 47-49 (16. April 1465).

[4]    SSRQ Bern I/2, Nr. 23, S. 11f.

[5]    Bereits die Säckelmeisterrechnungen des 14. Jahrhunderts nennen neben den Torwächtern verschiedene Tag- und Nachtwächter, die aus der Stadtkasse besoldet wurden; Friedrich Emil Welti (Hg.): Die Stadtrechnungen von Bern aus den Jahren 1375-1384, Bern 1896.

[6]    Vgl. dazu auch Eberhard Isenmann: Bürgerrecht und Bürgeraufnahme in der spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Stadt, in: Neubürger im späten Mittelalter, hg. von Rainer C. Schwinges (Beiheft der Zeitschrift für Historische Forschung 30), Berlin 2002, S. 203-249.

[7]    SSRQ Bern I/2, Nr. 181, S. 77 (8. April 1387).

[8]    Allein während des Stadtbrandes von 1387 verbrannten nach Konrad Justinger über 140 Häuser an der Kocher- und Amthausgasse sowie im Gerberngraben; Gottlieb Studer (Hg.): Die Berner Chronik des Conrad Justinger, Bern 1871, Nr. 284, S. 177.

[9]    Zur Wehrhoheit der Stadt Bern im 15. Jahrhundert vgl. Hans Braun: Militärhoheit und Kriegsorganisation, in: BGZ, S. 269-277.

[10]  SSRQ Bern I/2, Nr. 263, S. 120f. (26. November 1407).

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