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Udelhausbesitz

Nur Hausbesitzer hatten Anrecht auf die vollwertige Mitgliedschaft in der bürgerlichen Schwurgenossenschaft.

Eine wichtige Voraussetzung für die Aufnahme ins Bürgerrecht (Aufnahme ins Bürgerrecht) der Stadt Bern war der Nachweis von Grund- oder Hausbesitz innerhalb der Stadtmauern.[1] Nur wer ein eigenes Stadthaus besass oder wenigstens über einen Anteil (Udel) an einer städtischen Liegenschaft verfügte, war berechtigt, als vollwertiges Mitglied in die Schwurgenossenschaft (Bürgereid) der Bürgerschaft aufgenommen zu werden. Nach Artikel 28 und 39 der Goldenen Handfeste (Goldene Handfeste) hafteten Bürger mit ihren Stadthäusern gegenüber dem Stadtherren respektive seit der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts gegenüber der Stadtgemeinde für die Ausübung der beim Bürgerrechtserwerb geschworenen Bürgerpflichten (Bürgerpflichten).[2] Entzog sich beispielsweise ein Bürger der kommunalen Gerichtsbarkeit (Stadtrecht), konnten Schultheiss und Rat (Schultheiss und Rat) dessen Stadthaus zerstören und während Jahr und Tag ohne schützendes Dach offen stehen lassen.[3] Erst nach Ablauf dieser Frist durften die Erben, nach der Bezahlung von 3 Pfund an den Schultheissen, das zerstörte Haus wieder in Besitz nehmen und instand setzen.[4] Nach Artikel 24 der Handfeste musste auch jeder Neuzugezogene zuerst ein Haus innerhalb der Stadtmauern erwerben, bevor er sich um die Aufnahme ins Bürgerrecht bewerben konnte. Die Ausübung der wichtigsten Bürgerpflichten wie Wachdienst (Wach- und Wehrpflicht) und Steuerleistung (Steuerpflicht) war vom Besitz eines Stadthauses abhängig. Bei der Zerstörung eines Wohnhauses durch Feuer sollte das Bürgerrecht des betroffenen Bürgers jeweils solange bestehen bleiben, als dieser seinen Bürgerpflichten weiterhin nachkam. Erst beim Verkauf der verwaisten Haushofstatt ging auch das Bürgerrecht schliesslich verloren.[5]

Wohnhäuser gelten als Rechtsobjekte vor dem Stadtgericht

Aber nicht nur Pflichten, sondern auch die in der Stadtverfassung garantierten Rechte und Privilegien der Bürger standen in direkter Abhängigkeit zu den Stadthäusern.[6] Ein Bürger konnte nur in seinem angestammten Wohnhaus, dem so genannten Sesshaus, rechtsgültig vor das städtische Gericht geladen werden (Haushäbliche Ratsbürger).[7] Das Gleiche galt für die im Haushalt (Haushaltsgrösse und Familie) des Bürgers lebenden Personen wie Familienangehörige, Dienstleute und Gäste, die durch ihren Haushaltvorstand oder Hauswirt rechtlich gegenüber der Stadtgemeinde vertreten wurden. Einzig wenn sich ein Bürger weigerte, einer gerichtlichen Vorladung Folge zu leisten, oder wenn dieser den Vertretern des Stadtgerichts das Betreten seines Hauses verwehrte, waren Schultheiss und Rat ermächtigt, in das betreffende Bürgerhaus einzudringen und den Bestimmungen des Stadtrechts, falls nötig, auch mit Gewalt Nachdruck zu verschaffen.[8] Ohne richterliche Befugnisse durften jedoch weder Bürger noch Haushaltsmitglieder innerhalb des häuslichen Friedens von einem Aussenstehenden belästigt oder angegriffen werden.[9] In Artikel 27 der Goldenen Handfeste wurde deshalb unerlaubter Hausfriedensbruch mit der hohen Strafe von 6 Pfund belegt. Das Bussgeld musste je zur Hälfte an den betroffenen Hausbesitzer und die Richter bezahlt werden.[10] Ebenfalls an den Besitz eines Wohnhauses gebunden waren seit dem 13. Jahrhundert der Zugang zum städtischen Markt (Märkte) sowie die Nutzung der Stadtallmenden und der beiden städtischen Wälder Forst und Bremgartenwald (Ober- und Unterstadt).[11]

Roland Gerber, 24.06.2018



[1]    Vgl. dazu Gerhard Dilcher: Zum Bürgerbegriff im späteren Mittelalter. Versuch einer Typologie am Beispiel von Frankfurt am Main, in: Über Bürger, Stadt und städtische Literatur im Spätmittelalter, hg. von Josef Fleckenstein und Karl Stackmann (Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften in Göttingen 121), Göttingen 1980, S. 59-105, hier 75f.; Eberhard Isenmann: Bürgerrecht und Bürgeraufnahme in der spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Stadt, in: Neubürger im späten Mittelalter, hg. von Rainer C. Schwinges (Beiheft der Zeitschrift für Historische Forschung 30), Berlin 2002, S. 203-249.

[2]    SSRQ Bern I/1, Artikel 39, S. 16f.

[3]    Ernst Fischer: Die Hauszerstörung als strafrechtliche Massnahme im deutschen Mittelalter, Stuttgart 1957.

[4]    SSRQ Bern I/1, Artikel 28, S. 12f.; sowie Oberes Spruchbuch A, Staatarchiv Bern, A I 305, S. 102 (28. Juni 1417): [...], und were, daz er [der Flüchtige] eigen hus in der stat von Bern gelegen hett, daz man denn dem selben hus den virst inschlachen, jar und tag also ungebuwen beliben [lassen] sölt, und nach dem jar sölti man daz selbe hus mit 3 Pfund und 1 helbling [halber Pfennig] wider lösen, alles nach der selben statt von Bern fryheit und recht (gedruckt in: Hans Morgenthaler: Bilder aus der älteren Geschichte der Stadt Bern, Bern 1935 (2. Auflage), S. 163).

[5]    SSRQ Bern I/1, Artikel 24, S. 11.

[6]    Hermann Rennefahrt: Grundzüge der bernischen Rechtsgeschichte, Teile 1-4 (Abhandlungen zum schweizerischen Recht, N.F. Hefte 34, 66, 81 und 114), Bern 1928-1936, S. 3-15.

[7]    SSRQ Bern I/2, Nr. 72, S. 35f. (30. Januar 1316): [...] so sol er ime fürgebieten und uff inn klagen, und lät der sich denne darumb ussklagen, so sol man es ime künden ze huse und ze hofe [...]; sowie SSRQ Bern I/1, Nr. 126, S. 93.

[8]    SSRQ Bern I/2, Nr. 25, S. 11f.

[9]    SSRQ Bern I/1, Nr. 122-126, S. 91-93.

[10]  SSRQ Bern I/1, Artikel 27, S. 12.

[11]  Artikel 6 der Goldenen Handfeste; SSRQ Bern I/1, S. 5 f; Hermann Rennefahrt: Grundzüge der bernischen Rechtsgeschichte, Teile 1-4 (Abhandlungen zum schweizerischen Recht, N.F. Hefte 34, 66, 81 und 114), Bern 1928-1936, Teil 2, S. 11.

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