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Udel

Der Erwerb eines Udels gehörte während des gesamten Mittelalters zu den wichtigsten Voraussetzungen für die Aufnahme ins bernische Bürgerrecht.

Mit dem Übergang der wichtigsten vormals stadtherrlichen Befugnisse an Bürgerschaft und Rat sowie der Institutionalisierung der Ratsverfassung während der Verfassungsreform von 1294 (Verfassungsreform von 1294) verlor das Wohnhaus der Bürger seine ursprüngliche Bedeutung als Garant für die Ausübung der im Bürgereid (Bürgereid) geschworenen Rechte und Pflichten. Nicht mehr das Haus in seiner Gesamtheit sondern der Haushalt, das heisst, jener Ort, an dem der Bürger Feuer und Licht[1] besass, wurde zur kleinsten rechtlichen Einheit innerhalb der Stadtgemeinde (Stadtrecht).[2] Die Ausübung der Bürgerpflichten (Bürgerpflichten) blieb zwar auch nach der Verfassungsreform von 1294 weiterhin an den Wohnsitz des Bürgers und dessen Haushalt gebunden, die Sanktionsgewalt von Schultheiss und Rat (Schultheiss und Rat) betraf jedoch nicht mehr das gesamte Haus sondern nur einen bestimmten Anteil an diesem. Der Erwerb des Bürgerrechts wurde somit am Ende des 13. Jahrhunderts vom Besitz des Stadthauses gelöst und durch das Udel[3], das heisst, dem rechtsverbindlichen Besitzanteil an einer städtischen Liegenschaft, ersetzt. Jeder Neubürger hatte bei der Aufnahme ins Bürgerrecht (Aufnahme ins Bürgerrecht) somit nicht mehr das ganze Wohnhaus sondern nur noch ein Udel zu erwerben. Mit dem Liegenschaftsanteil hafteten die Bürger für die Erfüllung der geschworenen Bürgerpflichten. Das Udel verfiel bei Verstössen in Form eines Pfandes an die Stadt.[4] Bei Zuwiderhandlungen konnte der die Udel der Delinquenten jeweils solange in Besitz nehmen, bis diese nach Bern zurückkehrten und sich der kommunalen Gerichtsbarkeit unterwarfen.[5]

Hausbesitzer haften für die Einhaltung der Bürgerpflichten der Udelinhaber

Die Liegenschaftsanteile wurden von den Neubürgern beim Bürgerrechtserwerb (Neubürger- und Untertaneneid) jeweils mit den stadtsässigen Hausbesitzern ausgehandelt. Sie betrugen in der Regel zwischen einem halben und einem achten Teil, in Ausnahmefällen sogar bis zu einem zwanzigsten oder dreissigsten Teil eines Stadthauses.[6] Beim Erwerb eines Udels mussten sich die Neubürger gegenüber den Hausbesitzern verpflichten, das Udelhaus vor allen Schäden zu bewahren, es in guten eren zu halten und sich an dessen baulichen Unterhalt zu beteiligen (Soziale Beziehungen zwischen Ausbürgern und Stadtbewohnern). Die Vergabe eines Udels geschah in der Regel mündlich. Nur bei den Ausbürgern, die ausserhalb des städtischen Friedensbereichs wohnten und deshalb von der Stadt nicht so einfach belangt werden konnten, ging der Rat im Verlauf des 14. Jahrhunderts dazu über, deren Namen mit der topografischen Angabe der belasteten Stadthäuser in speziellen Verwaltungsschriften, den so genannten Udelbüchern (Udelbuch von 1389), schriftlich festzuhalten. Der Rat übernahm auf diese Weise die Kontrolle über die von Bürgern ausgegebenen Udel, deren Vergabe sich zunehmend als wichtiges Instrument beim Auf- und Ausbau des städtischen Territoriums erwies (Politische Bedeutung der Ausbürgeraufnahmen).

Landbewohner erwerben Udel in der Stadt

Die Trennung von Bürgerrecht und Hausbesitz machte es möglich, dass neben weniger begüterten Einwohnern, die kein eigenes Wohnhaus besassen, auch zahlreiche Landleute ins Bürgerrecht aufgenommen werden konnten, ohne dass diese ihre angestammten Wohnsitze zu verlassen und nach Bern zu ziehen brauchten (Ausbürger). Die Zahl der Bürger wuchs auf diese Weise im Verlauf des 14. Jahrhunderts kontinuierlich an, was für die Stadt eine erhebliche Stärkung ihrer finanziellen wie militärischen Ressourcen bedeutete (Ausdehnung der Steuerhoheit auf die Landschaft). Die zunehmenden Einbürgerungen hatte jedoch zur Folge, dass die im Stadtgebiet zur Verfügung stehenden Wohnhäuser trotz der nach 1343 durchgeführten zweiten Stadterweiterung (Zweite Stadterweiterung nach 1343) in immer kleinere Liegenschaftsanteile unterteilt werden mussten. Die Udel verloren dadurch ihre ursprüngliche Funktion als Grundpfandschaften und entwickelten sich immer mehr zu nominalen, vom Wert der belasteten Wohnhäuser unabhängigen Hypotheken. Diese wurden zwar weiterhin auf städtische Liegenschaften geschlagen, sie büssten ihre Eigenschaft als Realbesitz jedoch grösstenteils ein.[7] In der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts galten die Udel schliesslich als ein von Schultheiss und Rat festgelegter Geldbetrag, der beim unrechtmässigen Verlust des Bürgerrechts sozusagen als Strafgebühr an die Stadt zu entrichten war. Bei Zahlungsverweigerungen konnte der Rat entweder das Udel einziehen und weiterverkaufen oder das ausstehende Udelgeld mit Gewalt konfiszieren.[8]

Roland Gerber, 24.06.2018



[1]    SSRQ Bern I/2, Nr. 195, S. 129f. (9. Mai 1473).

[2]    Vgl. dazu auch Wilhelm Ebel: Der Bürgereid als Geltungsgrund und Gestaltungsprinzip des deutschen mittelalterlichen Stadtrechts, Weimar 1958, S. 25.

[3]    Etymologisch ist der Begriff uedel oder uodel aus dem althochdeutschen adal oder adel abzuleiten. Adel heisst soviel wie Geschlecht und uodel das im Geschlecht weitervererbte Stammgut oder Allod. In der mittelalterlichen Stadt bedeutete Udel somit einfach das Sesshaus des in der Stadt wohnenden Bürgers; Beat Frey: Ausbürger und Udel namentlich im Gebiete des alten Bern, Bern 1950, S. 54f.

[4]    Eduard Von Rodt: Bern im 13. und 14. Jahrhundert, nebst einem Rückblick auf die Vorgeschichte der Stadt, Bern 1907, S. 114-116.

[5]    SSRQ Bern I/2, Nr. 211, S. 89 (24. Mai 1310): [...] und weler des [diese Satzung] nit wölte gehorsam sin, den sullen wir wissen von unser stat, daz er iemer da uss sie, untz [bis] er gehorsam werde, und sol, die wile er das usse ist, sin udel wüste stan; sowie Hermann Rennefahrt: Grundzüge der bernischen Rechtsgeschichte, Teile 1-4 (Abhandlungen zum schweizerischen Recht, N.F. Hefte 34, 66, 81 und 114), Bern 1928-1936, Teil 2, S. 94.

[6]    Udelbuch von 1389, Staatsarchiv Bern, B XIII 28, S. 322: Cuno Horwer ist burger an dem XXX teil sines huses zwischent dem geslin und sinem hus; sowie die Udelnahme Johannes von Rümligens aus dem Simmental auf dem Hause Peter Müllers, gelegen ze Berne an der kilchgassen, zwüschent dien hüsern Heinriches Zofingerz und Heinriches Swabz, vom 6. Februar 1337; FRB/6, Nr. 345, S. 337f.

[7]    Vgl. dazu den auf 15 Jahre abgeschlossenen Burgrechtsvertrag zwischen Johannes von Raron und der Stadt Bern vom April 1337 in FRB/6, Nr. 356, S. 346. Die quittantz jungher Sigmunden von Brandis von sins burgrechten wegen vom 30. Januar 1474 beweist, dass die Udelbeträge bei einem verfrühten Austritt aus dem Burgrecht auch wirklich bezahlt worden sind: Jungher Sigmund, fryherr zu Brandis, uns von sins burgrechten wegen 300 rinscher guldin gewert, und hat damit dasselb burgrecht nach lut siner versigelten pflicht uffgeben [...]; Beat Frey: Ausbürger und Udel namentlich im Gebiete des alten Bern, Bern 1950, S. 88. Zu einer rechtmässigen Aufkündigung des Bürgerrechts vgl. auch die Burgrechtsaufgabe des Hugo Burkhard von Mümpelgart (Montbéliard), Herr zu Oltigen, vom 26. Februar 1410; SSRQ Bern V, Artikel 6, S. 62f.; sowie die diesbezüglichen Bestimmungen in den Satzungsbüchern von 1501 und 1532; SSRQ Bern V, Artikel 81 und 82, S. 136f.

[8]    Konrad Justinger begründet einen bernischen Beutezug ins neuenburgische Val-de-Ruz mit der Nichterfüllung des Burgrechtsvertrages der Gräfin Mahaut von Valangin: die [Gräfin] was burgerin gewesen und hat den von Bern ir burgrecht ufgeben, si hat aber die tusendzweihundert guldin nit geben, darumb ir burgrecht haft was; Gottlieb Studer (Hg.): Die Berner Chronik des Conrad Justinger, Bern 1871, Nr. 261, S. 165; sowie ders.: Zur Topographie des alten Bern, in: Archiv des historischen Vereins des Kantons Bern 8 (1872-75), S. 37-64, 185-235, 454-472, hier 193-195.

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