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Bauordnungen

Brandschutzmassnahmen reglementierte der Rat seit 1311 in speziellen Bauordnungen.

Mit der Wahl von vier Bauherren (Bauherren) bekräftigte die Bürger der Stadt Bern ihren Willen, neben den Stadtfinanzen (Säckelmeister) auch das kommunale Bauwesen unter die Kontrolle des 1294 neu geschaffenen Rats der Zweihundert (Rat der Zweihundert) zu stellen. Ein Hauptanliegen des Rats bestand in der Durchführung von Brandschutzmassnahmen, deren Finanzierung teils durch Subventionen aus der Stadtkasse, teils durch Beitragszahlungen der Hausnachbarn gezielt gefördert werden sollte. Da sich jedoch die Besitzverhältnisse der meisten städtischen Grundstücke infolge von Erbteilungen, Verpfändungen und Verkäufen als sehr kompliziert erwiesen, führte die Finanzierung der geforderten Baumassnahmen bald zu Streitigkeiten unter den betroffenen Hauseigentümern, sodass Schultheiss und Rat (Schultheiss und Rat) immer wieder vermittelnd eingreifen mussten. Um sich eine Rechtsgrundlage für die laufend anfallenden Streitfälle zu schaffen, liess der Rat eine dieser Auseinandersetzungen als Präzedenzfall in die städtischen Satzungsbücher aufnehmen: Am 19. Juli 1311 urkundete Schultheiss Laurenz Münzer (Familie Münzer) im Beisein der vier neu gewählten Bauherren sowie vier weiterer Ratsherren zusammen mit dem Stadtschreiber Peter von Gisenstein (Peter (III) von Gisenstein)[1], dass die Kosten für den Wiederaufbau eines Gebäudes an der heutigen Kramgasse zu einem Drittel von den Inhabern der lebenslänglichen Nutzungsrechte (Leibgeding) und zu zwei Dritteln von den eigentlichen Grundstücksinhabern aufgebracht werden mussten. Der Rat verlangte, dass der Neubau für füre, das heisst bündig an die Baulinie des Nachbarhauses anstossend, zu errichten und mit einem Ziegeldach zu decken sei.[2] Für die Kosten des Ziegeldaches hatten beide Parteien mit ihren Abrechungen beim Rat vorstellig zu werden, damit die städtischen Beitragszahlungen festgelegt werden konnten.[3]

Liegenschaften dürfen nicht weiter unterteilt werden

Um eine weitere Parzellierung der städtischen Hofstätten zu verhindern, die einerseits die Eigentumsverhältnisse zunehmend komplizierte und andererseits die Brandgefahr erheblich erhöhte, erliess der Rat nach 1316 eine weitere Satzung, in der die Bürger dazu angehalten wurden, ihre Liegenschaften zukünftig nicht mehr unter eine Mindestbreite von 16 Fuss[4] (ca. 5 Metern) zu teilen. Bestehende Hofstätten, die bereits weniger als 8 Fuss massen, mussten unter der Aufsicht der vier Bauherren mit einem benachbarten Grundstück zusammengelegt werden. Die betroffenen Grundeigentümer hatten dabei Anspruch auf eine Entschädigung, die von den neuen Grundstücksinhabern bezahlt werden musste, deren Höhe jedoch von den Bauherren festgelegt wurde.[5] 1405 beschloss der Rat, jene Hofstätten, auf denen vor dem Stadtbrand noch zwei Häuser gestanden hatten und deren Breite unter 24 Fuss (ca. 7 Meter) betrug, jetzt zu einer einzigen Liegenschaft zusammenzufassen. Die betroffenen Hausbesitzer sollten unter der Aufsicht der Bauherren durch die Inhaber der vergrösserten Hofstätten entschädigt werden.[6]

Eine Flut von Reglementierung folgen auf den Stadtbrand von 1405

Nach dem grossen Stadtbrand von 1405 (Grosser Stadtbrand von 1405) erliessen Schultheiss und Rat (Schultheiss und Rat) eine ganze Reihe weiterer Satzungen, die sich ausschliesslich mit Brandschutzmassnahmen befassten. Gleichzeitig sollte die einheitliche Baulinienführung, die bisher nur in den wichtigsten städtischen Gassen durchgesetzt werden konnte, auch auf die Seitengassen und die Neustadt ausgedehnt werden. Der Rat bestimmte 1405, dass die neu zu errichtenden Häuser in der Kirch- und Herrengasse, an der alten Ringmauer und in der Neustadt (Innere Neustadt) in der Baulinie der Nachbarhäuser aufgeführt werden mussten. Die Fassaden der Holz- und Rieghäuser hatten dabei 3½ Schuh (ca. 1 Meter) hinter die Fronten der Steinhäuser zurückzutreten, wobei deren Firsthöhe höchstens 23 Schuh (ca. 7 Meter) betragen durfte. Damit sich bei einem Brandausbruch das Feuer nicht von den Holz- auf die Steinhäuser ausbreitete, mussten gleichzeitig auch alle hölzernen Vorbauten und Verkaufsbuden der Bürgerhäuser um einige Schuh hinter die Steinlauben zurückversetzt errichtet und sämtliche Holz- und Rieghäuser zwischen zwei Steinbauten mit einem Ziegeldach gedeckt werden. Beim Neubau der Steinhäuser hatte die Bürgerschaft insbesondere auch auf das Einspannen von so genannten schwibbögen [Schwebebögen] zu verzichten, die weder under ougen noch in dem huse ausgeführt werden durften.[7] Um den Einwohnern den Wiederaufbau ihrer verbrannten Hofstätten zu erleichtern, gebot der Rat ausserdem, dass alle Bauwilligen vom Halbteil der auf ihren Häusern lastenden Zinsen befreit sein sollten und dass sämtliche durch den Stadtbrand entstandenen Schulden von den Gläubigern vorläufig nicht betrieben werden durften.[8] Wollte jemand sein Grundstück jedoch nicht wieder überbauen, so konnten die Zinsempfänger und Gläubiger die verwaisten Hofstätten beschlagnahmen und weiterverkaufen.[9] Des Weiteren wurde es Bürgerinnen (Bürgerinnen) und Bürgern strengstens verboten, mit einem Licht ohne schützende Laterne in Ställe und Schuppen zu gehen, in denen sich Heu, Sägemehl oder Stroh befanden.[10] Die Hausbesitzer wurden vom Rat persönlich für die Sicherheit ihrer Feuerstellen verantwortlich gemacht. Jeder Brandausbruch, sei es in Wohnhäusern, Stallungen oder Scheunen, sollte eine Busse für den jeweiligen Hauseigentümer nach sich ziehen, die, je nachdem ob die Flammen das Dach erreichten oder nicht, zwischen 5 und 10 Pfund betrug.[11]

Herdstellen und Öfen gelten als besonders brandgefährlich

Besonders ausführlichen Bau- und Feuerordnungen wurden die Herdstellen und Öfen unterworfen, die vor allem in den Holzhäusern eine permanente Brandgefahr darstellten. Nach dem Willen von Schultheiss und Rat mussten alle hölzernen Bänke und Gestelle vor den Öfen abgebrochen oder zumindest durch eine Lehmwand von diesen getrennt werden. Ebenso sollten alle Holzwände hinter den Feuerstellen ebenfalls durch eine Lehmwand geschützt werden.[12] Seit der Mitte des 15. Jahrhunderts wurde die Einwohner ausserdem dazu angehalten, ihre Küchen und Öfen wenigstens mit einem bescheidenen Kamin auszustatten.[13]

Hausnachbarn und Säckelmeister beteiligen sich an den Kosten für Brandmauern

1405 wurde die Beitragspflicht der Hausnachbarn zum Bau von Brandmauern insoweit revidiert, als die Baukosten nur noch dann zur Hälfte vom benachbarten Hausbesitzer bezahlt werden mussten, falls die neu gebaute Mauer in den unteren Partien mindestens 3 Schuh (ca. 90 cm) dick war. Für alle dünneren Brandmauern betrug die Beitragspflicht lediglich den dritten Teil der Baukosten. Bei Lehm- und Rieghäusern hatten sich die Nachbarn ausserdem am dritten Teil der Beschaffungskosten für das Riegholz zu beteiligen.[14] Konnte ein Hausnachbar die ihm auferlegten Beitragszahlungen nicht leisten, schlug man diese als Hypothek auf sein Haus, die zu 5 Prozent verzinst wurde.[15] Zahlungspflichtig waren die Nachbarn jedoch nur für jene Teile der Brandmauern, die direkt an ihr Haus stiessen. Für alle übrigen Partien, die über den First hinausragten, konnten keine Beiträge verlangt werden.[16] Bei Streitigkeiten, die zwei Hausbesitzer um den Neubau einer Brandmauer führten, hatten die Bauherren zu entscheiden, ob ein Neubau notwendig sei oder nicht. Jede bauliche Veränderung einer Mauer musste aber sowohl den betroffenen Nachbarn als auch den Bauherren angezeigt werden.[17]

Der Säckelmeister beteiligte sich beim Bau von Lehm- und Rieghäusern ebenfalls mit einem Beitrag von 5 Schillingen für jeden Schuh der gebauten Fassade vom gemauerten Keller bis zum First. Wenn das Haus mit Ziegeln gedeckt wurde, übernahm die Stadt nach wie vor auch die Kosten für das halbe Ziegeldach.[18] Die Höhe der Subventionen für die so genannten Halbdächer wurde jedoch nicht mehr wie im 14. Jahrhundert allein durch die Bauherren, sondern durch zwei eigens zu diesem Zweck ernannte Ziegelschatzer festgelegt, die jährlich mit je 3 Pfund aus der Stadtkasse entlöhnt wurden. Die beiden Ziegelschatzer führten eigene Abrechnungen, in denen sie ihre Ziegelschatzungen einzeln aufzeichneten und vor dem Rat periodisch Rechnung ablegten.[19] Um der gestiegenen Nachfrage nach Lehmziegeln, Ziegelsteinen und Kalk gerecht zu werden, liess der Rat nach 1406 noch zusätzliche Ziegelöfen in Betrieb nehmen.[20] Im Jahre 1430 erscheint neben den beiden seit dem 14. Jahrhundert bestehenden Ziegelhütten vor dem Spital- und Golatenmattgasstor[21] noch eine dritte Ziegelei im Bremgartenwald, die jedoch bei sinkender Nachfrage von der Stadt in der zweiten Jahrhunderthälfte bereits wieder aufgegeben wurde.[22] Zusätzliche Ziegel bezog der Rat ausserdem aus dem benachbarten Thun.[23]

Die Venner lassen 1421 46 Häuser mit einem Ziegeldach decken

Trotz der von Schultheiss und Rat angeordneten Brandschutzmassnahmen scheint der Wiederaufbau der verbrannten Häuserzeilen, jedenfalls in den Seitengassen, grösstenteils wieder in Holz durchgeführt worden zu sein. Denn bereits im Jahre 1420 sah sich der Rat erneut dazu genötigt, die vier Venner zu bevollmächtigen, jährlich in ihren Stadtvierteln eine Anzahl von Liegenschaften zu bestimmen, die ganz in Stein neu aufgeführt oder mit Ziegeln gedeckt werden sollten.[24] 1421 konnten daraufhin immerhin insgesamt 46 Häuser auf Betreiben der Venner mit einem neuen Ziegeldach versehen werden.[25]

Roland Gerber, 21.07.2018



[1]       Die neun in der Schlichtungsurkunde aufgeführten Zeugen hiessen Niklaus Friess, Peter von Aegerten, Johannes von Schartenstein, Johannes von Lindach, Peter von Gisenstein der Stadtschreiber, Peter von Krauchthal, Johannes Münzer, Ulrich Thormann und Rudolf Isenhut, alle Bürger zu Bern. Aus dieser Aufzählung geht jedoch nicht hervor, welche der acht Ratsherren neben dem Stadtschreiber seit einem Jahr als erste Berner Bauherren tätig waren.

[2]       Paul Hofer: Bauvorschriften im Alten Bern und die vier Sandsteinbrüche Berns, in: Fundplätze-Bauplätze, Basel/Stuttgart 1970, S. 70-72.

[3]       SSSSRQ Bern Stadt Stadt I/2, Nr. 71, S. 33f.; sowie SSSSRQ Bern Stadt Stadt I/1, Nr. 84, S. 70f.

[4]       Ein Berner Fuss oder Schuh galt etwa 29,3 cm. Er wurde auf 12 Zoll, 144 Linien und 1400 Punkte gerechnet. Mit der Schaffung der Münsterbauhütte im Jahre 1421 scheint zusätzlich noch der Rheinländische Steinbrecherschuh (ca. 31,7 cm) nach Bern gekommen zu sein; Robert Tuor: Mass und Gewicht im Alten Bern (inkl. Waadt, Aargau und Jura), Bern/Stuttgart 1977, S. 35-46.

[5]       SSRQ Bern Stadt I/2, Nr. 72 und 73, S. 34f.; sowie SSRQ Bern Stadt I/1, Nr. 81, S. 69.

[6]       SSRQ Bern Stadt I/2, Nr. 254, S. 115f.; sowie SSRQ Bern Stadt I/1, Nr. 79, S. 68f.

[7]       SSRQ Bern Stadt I/2, Nr. 253, S. 115; sowie SSRQ Bern Stadt I/1, Nr. 78, S. 68 und Nr. 151, S. 103.

[8]       SSRQ Bern Stadt I/2, Nr. 44, S. 22; sowie SSRQ Bern Stadt I/1, Nr. 114, S. 114f.

[9]       SSRQ Bern Stadt I/2, Nr. 252, S. 115; sowie SSRQ Bern Stadt I/1, Nr. 216, S. 135f.

[10]     SSRQ Bern Stadt I/1, Nr. 150, S. 102 und Nr. 240, S. 350f.

[11]     SSRQ Bern Stadt I/2, Nr. 134, S. 59; sowie SSRQ Bern Stadt I/1, Nr. 145, S. 101 und Nr. 241, S. 351.

[12]     SSRQ Bern Stadt I/2, Nr. 261, S. 118-120; sowie SSRQ Bern Stadt I/1, Nr. 146, S. 101-103. Sämtlichen Anordnungen von Schultheiss, Räten, Bauherren und Vennern war strikt Folge zu leisten, ohne dass für die Betroffenen die Möglichkeit bestand, diese gerichtlich anzufechten; SSRQ Bern Stadt I/1, Nr. 153, S. 103.

[13]     SSRQ Bern Stadt I/2, Nr. 148, S. 102. Vgl. dazu ausserdem SSRQ Bern Stadt I/1, Nr. 242, S. 351.

[14]     SSRQ Bern Stadt I/2, Nr. 86, S. 41.

[15]     SSRQ Bern Stadt I/1, Nr. 100, S. 202.

[16]     SSRQ Bern Stadt I/1, Nr. 101, S. 202.

[17]     SSRQ Bern Stadt I/1, Nr. 105 und 106, S. 203.

[18]     SSRQ Bern Stadt I/2, Nr. 87 und 88. S. 41f.

[19]     Mit Peter Fischer erwähnen die Säckelmeisterrechnungen in den Jahren zwischen 1436 und 1449 einen städtischen Ziegelschatzer, der von 1442 bis 1445 gleichzeitig auch das Amt des Bauherrn von Burgern ausübte. Peter Fischer wurde von einem fachkundigen Handwerker, dem Dachdecker Heinzmann Teck, begleitet, der sich ebenfalls als Ziegelschatzer betätigte; Friedrich Emil Welti (Hg.): Die Stadtrechnungen von Bern aus den Jahren 1430-1452, Bern 1904. Im 16. Jahrhundert wurden die jährlichen Ziegelschatzungen schliesslich vom Steinwerkmeister durchgeführt, der weiterhin von einem Dachdecker begleitet wurde. Ihre Aufwandsentschädigung betrug nach wie vor 3 Pfund; Säckelmeisterrechnungen 1534-1540, Staatsarchiv Bern, B VII 455 und 456.

[20]     SSRQ Bern Stadt I/1, Nr. 147, S. 102.

[21]     Bereits im Jahre 1355 besass die Stadt Bern eine Ziegelhütte, gelegen vor der stat von Berne nebent dem krütz und dem bach in Losner bystum; FRB/8, Nr. 257. 1379 wird neben dem Äusseren oder Oberen Ziegelhof vor dem Spitaltor noch ein Innerer oder Unterer Ziegelhof vor dem Golatenmattgasstor genannt; Friedrich Emil Welti (Hg.): Die Stadtrechnungen von Bern aus den Jahren 1375-1384, Bern 1896, hier Stadtrechnung 1379/II, S. 135f.

[22]     Friedrich Emil Welti (Hg.): Die Stadtrechnungen von Bern aus den Jahren 1430-1452, Bern 1904.

[23]     Im Jahre 1429 bezahlten die Inhaber der beiden städtischen Ziegelhöfe insgesamt 7 Pfund jährliche Hauszinse an den Stadtsäckel. Gleichzeitig hatte die Stadt den hofstat zins ze Thun; Zinsrodel 1429, Staatsarchiv Bern, B VII 2311, S. 108.

[24]     SSRQ Bern Stadt I/2, Nr. 123, S. 55f. Bereits 1382 hatten die beiden Bauherren Peter Balmer und Niklaus Uttinger zusammen 12 Schillinge Zehrgeld aus dem Stadtsäckel ausbezahlt erhalten, als sie uff die buwe giengen ze besechenne, an welen stetten mit holzwerch oder mit steinwerch übervarn were; Friedrich Emil Welti (Hg.): Die Stadtrechnungen von Bern aus den Jahren 1375-1384, Bern 1896, hier Stadtrechnung 1382/I, S. 211.

[25]     Oberes Spruchbuch A, Staatsarchiv Bern, A I 305, S. 289. Vgl dazu ausserdem Hans Freudiger: Die Wohnhäuser Berns und ihre bauliche Entwicklung seit dem 15. Jahrhundert, in: Berner Zeitschrift für Geschichte und Heimatkunde 4 (1942), S. 4f.

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