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Thomas von Speichingen

Thomas von Speichingen verkörperte den neuen Typ des Stadtschreibers. Er besass eine akademische Ausbildung und war Mitglied des Kleinen Rats.

Thomas von Speichingen wurde wie Johannes Blum (Johannes Blum) von seinem Vater Heinrich (Professionalisierung unter Heinrich von Speichingen) sorgfältig auf den Schreiberberuf vorbereitet. Während sich Johannes Blum jedoch vor allem durch seine praktische Erfahrung als langjähriges Kanzleimitglied zum Stadtschreiber qualifizierte, verkörperte Thomas von Speichingen den neuen Typ des akademisch gebildeten Schreibers, der sich durch seinen gehobenen sozialen Status und seine Lebensführung von seinen Amtsvorgängern abhob.[1] Neben einem Studium der Sieben Freien Künste (septem artes liberales)[2] und wahrscheinlich auch einer Magisterpromotion erwarb er seine praktischen Schreibkenntnisse und seine Approbation zum Notar ausserhalb Berns.[3] Möglicherweise weilte er im Jahr 1439 nicht in der Stadt, was den Rat bewogen haben mag, nicht ihn, sondern den Gerichtsschreiber Johannes Blum zum Nachfolger Heinrich von Speichingens zu ernennen. Nach seiner Rückkehr in die Heimatstadt wurde Thomas von Speichingen um 1449 in den Kleinen Rat und nach dem Tod Blums 1450 schliesslich auch zum Stadtschreiber (Stadtschreiber und Kanzlei) gewählt. 1457 demissionierte er jedoch bereits wieder, wobei er bis zu seinem Tod 1461 als Landvogt (Landvögte und Tschachtlane) in der gemeinsam von Bern und Freiburg verwalteten Herrschaft Grasburg residierte. Thomas von Speichingen versteuerte 1458 das ausserordentlich hohe Vermögen von 9700 Gulden (Vermögensentwicklung).[4] Daneben war er Mitglied der adligen Stubengesellschaft zum Distelzwang (Gesellschaft zum Narren und Distelzwang), wo sich ausschliesslich Angehörige der führenden bernischen Ratsgeschlechter versammelten.

Landvogt auf der Grasburg und Leiter eines Notariats an der Junkerngasse

Thomas von Speichingen unterschied sich damit durch sein Vermögen und Selbstverständnis wie auch durch seine Ämterlaufbahn von den bisherigen Berner Stadtschreibern. Sein Reichtum ermöglichte es ihm, an den täglichen Ratsgeschäften teilzunehmen und im Namen der Stadt Herrschaftsrechte auf dem Land auszuüben (Entstehung des städtischen Territoriums). In Anbetracht der angestrebten Ratskarriere, aber auch aus ökonomischer Sicht dürfte die Ausübung des Stadtschreiberamts für Thomas von Speichingen deshalb nur von untergeordneter Bedeutung gewesen sein. Als ihm der Rat 1457 die Verwaltung der Landvogtei in Grasburg in Aussicht stellte, verzichtete er jedenfalls auf eine Fortführung seiner Amtstätigkeit, um als städtischer Gerichtsherr auf dem Land zu leben. Den Beruf eines Notars scheint Thomas von Speichingen jedoch auch nach seiner Demission weiter betrieben zu haben. So wohnten in seinem Haushalt (Haushaltsgrösse und Familie) an der oberen Junkerngasse 1458 neben seiner Ehefrau und seinem Bruder Rudolf auch «seine uneheliche Tochter» mit zwei Dienstmägden, einem Knecht und zwei Schreibern.[5] Letztere hatten sich offenbar um das Notariatsgeschäft in Bern zu kümmern, während Thomas von Speichingen als Landvogt auf der Grasburg weilte.

Roland Gerber, 21.07.2018



[1]    Zur fortschreitenden Akademisierung des Schreiberberufs seit der Mitte des 15. Jahrhunderts vgl. Beat Immenhauser: Bildungswege – Lebenswege. Universitätsbesucher aus dem Bistum Konstanz im 15. und 16. Jahrhundert (Veröffentlichungen der Gesellschaft für Universitäts- und Wissensgeschichte 8), Basel 2007, S. 367-439.

[2]    Zum Studium der Sieben Freien Künste zählten seit der Antike Grammatik, Rhetorik, Dialektik, Arithmetik, Geometrik, Musik und Astronomie.

[3]    Urs Martin Zahnd: Die Bildungsverhältnisse in den bernischen Ratsgeschlechtern im ausgehenden Mittelalter. Verbreitung, Charakter und Funktion der Bildung in der politischen Führungsschicht einer spätmittelalterlichen Stadt (Schriften der Berner Burgerbibliothek), Bern 1979, S. 196f.

[4]    Friedrich Emil Welti (Hg.): Die Tellbücher der Stadt Bern aus den Jahren 1448 und 1458, in: Archiv des Historischen Vereins des Kantons Bern 33 (1936), S. 353-575, hier 535.

[5]    Ebda.

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