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Einschränkung des weiblichen Erbrechts

Der Rat war bestrebt, das Erbrecht von Witwen einzuschränken und durch männliche Vögte kontrollieren zu lassen.

Die Bürgerinnen (Bürgerinnen) genossen wie die Bürger das im Stadtrecht (Stadtrecht) garantierte freizügige Erbrecht, das es ihnen ermöglichte, über das Vermögen ihrer verstorbenen Ehemänner zu verfügen. Sie konnten dies entweder in eine neue Ehe einbringen, oder – was im 14. Jahrhundert häufig geschah – die geerbten Vermögenswerte als fromme Stiftung der Kirche vermachen. Es war denn auch die Verfügungsgewalt über den Geld- und Grundbesitz der alleinstehenden Frauen, die den Rat bewog, das Erbrecht der Frauen im Verlauf des 14. und 15. Jahrhunderts einzuschränken und vermehrt unter die Kontrolle männlicher Vögte oder Ratsherren zu stellen. 1344 legte er fest, dass keine Frau ohne Zustimmung des Rats der Zweihundert (Rat der Zweihundert) ihr Gut anderen Personen als ihren natürlichen Erben vermachen durfte.[1] Vor allem die von Witwen gemachten wohltätigen Stiftungen an die Kirche, die von der Stadt nicht besteuert werden konnten, versuchte der Rat zu kontrollieren und von der eigenen Zustimmung abhängig zu machen.[2] Besonders starkem Einfluss unterlagen die Testamente der Frauen, deren Rechtsgültigkeit an die ausdrückliche Bewilligung des Rats geknüpft wurde.[3] Als die Witwe und Bürgerin Anna Seiler 1354 ihre Liegenschaften an der südlichen Zeughausgasse zur Gründung eines Spitals (Seilerinspital) an die Stadt stiftete, durfte sie dies nur mit rat und urlob des schultheissen, des rates und der zweihunderten tun.[4] Beaufsichtigt wurde die Spitalstiftung der Anna Seiler durch ihren Vogt den Kleinrat Niklaus von Muhleren.

Nach den Verheerungen der Pest (Pest und Seuchenzüge) von 1349 und 1355, die zu einer stark wachsenden Zahl von Stiftungen an die Kirche führten, ging der Rat noch einen Schritt weiter und bestimmte 1356, dass in Zukunft nieman in unser statt sin hus und sin hofstat geben, ordenen noch machen sol ze deheinem convent noch samnung.[5] 1367 bestätigte er das Recht der Frauen, auch ohne männliche Vögte Rechtsgeschäfte abwickeln zu dürfen. Der Rat hielt die Frauen jedoch dazu an, ein vereinbartes Geschäft entsprechend den ursprünglich ausgehandelten Bestimmungen einzuhalten.[6] 1411 und 1419 erneuert der Rat dann auch die 1344 erlassene Satzung, dass der letzte Wille einer Frau jeweils durch den Rat der Zweihundert anerkannt werden müsse.[7] Da es in diesen beiden Jahren infolge von Seuchenzügen jedoch vermehrt zu plötzlichen Todesfällen von frowen und man gekommen war, erlaubte der Rat den Frauen, wenn si für die thür uss gan mag und einen fürsprechen holen konnten, ihr Testament auch ohne die Zustimmung der Zweihundert im Beisein eines männlichen Vogtes abschliessen zu dürfen.

Der Rat regelt die familiären Verhältnisse wohlhabender Witwen

Um zu verhindern, dass Vermögen wohlhabender Witwen durch eine Heirat mit auswärtigen Ehemännern dem fiskalischen Zugriff der Stadt entzogen wurden, griff der Rat am Ende des 15. Jahrhunderts sogar direkt in die familiären Verhältnisse adliger Witwen ein. 1492 forderten Schultheiss und Rat (Schultheiss und Rat) die reiche Barbara von Mülinen, geborene von Scharnachtal, auf, nach dem Tod ihres Ehemannes wieder einen Berner Bürger zu heiraten. Den Namen ihres Bräutigams sollte ihr ein Verwandter der Kleinrat Georg vom Stein mündlich mitteilen.[8] Nur wenige Tage später verheiratete sich Barbara von Mülinen tatsächlich mit dem ebenfalls verwitweten Schultheissen Rudolf V. von Erlach[9]. Rudolf V. war sehr wohlhabend und versteuerte zusammen mit seiner neuen Gattin Barbara von Mülinen 1494 ein Vermögen von 16’000 Gulden (Vermögensverhältnisse).[10]

Roland Gerber, 15.07.2018



[1]    SSRQ Bern I/2, Nr. 76, S. 38 (24. April 1344).

[2]    Vgl. dazu Kathrin Utz Tremp: Zwischen Ketzerei und Krankenpflege. Die Beginen in der spätmittelalterlichen Stadt Bern, in: Zwischen Macht und Dienst. Beiträge zur Geschichte und Gegenwart von Frauen im kirchlichen Leben der Schweiz, hg. von Sophia Bietenhard u.a., Bern 1991, S. 36f.

[3]    Vgl. dazu das Testament der Anna von Gisenstein, der Witwe Otto von Gisensteins, burgerz ze Berne, vom 20. August 1341, das der Schultheiss Johannes von Bubenberg und fünf weitere Ratsherren bezeugten; FRB/6, Nr. 619, S. 608-610. Eine erste summarische Auswertung erfuhren die bernischen Testamentenbücher durch Urs Martin Zahnd: Spätmittelalterliche Bürgertestamente als Quellen zur Realienkunde und Sozialgeschichte, in: Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung 96 (1988), S. 55-78.

[4]    FRB/8, Nr. 188, S. 78-81 (29. November 1354).

[5]    SSRQ Bern I/2, Nr. 80, S. 39 (1. Mai 1356).

[6]    SSRQ Bern I/2, Nr. 133, S. 58f.

[7]    SSRQ Bern I/2, Nr. 260, S. 118 (16. September 1411) und Nr. 64, S. 32 (29. Oktober 1419).

[8]    Simon Teuscher: Bekannte - Klienten - Verwandte. Soziabilität und Politik in der Stadt Bern um 1500 (Norm und Struktur 9), Köln/Weimar/Wien 1998, S. 87f.

[9]    Rudolf von Erlach amtierte zwischen 1479 und seinem Tod 1507 insgesamt viermal als Berner Schultheiss.

[10] Emil Meyer (Hg.): Das Tellbuch der Stadt Bern aus dem Jahre 1494, in: Archiv des Historischen Vereins des Kantons Bern 30 (1930), S. 147-224, hier 177.

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