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Geistliche Niederlassungen

Geistliche Niederlassungen verteilten sich im späten Mittelalter über das gesamte überbaute Stadtgebiet.

Eine wichtige Rolle spielte in einer mittelalterlichen Stadt die Kirche.[1] Obwohl in Bern weder ein Bischof noch alte Chorherrenstifte beheimatet waren, wurde das Erscheinungsbild der Stadt im 14. und 15. Jahrhundert von zahlreichen geistlichen Niederlassungen sowie von den Wohnhäusern einzelner Kleriker und Schwesterngemeinschaften geprägt. Im Unterschied zu den kommunalen (Kommunale Gebäude) und gewerblichen Bauten (Zunft- und Gewerbebauten), die sich hauptsächlich um die zentralen Strassenmärkte (Märkte) und die Kreuzgasse gruppierten, befanden sich alle bedeutenden geistlichen Institutionen wie die Pfarrkirche St. Vinzenz (Pfarrkirche von St. Vinzenz), das Dominikaner- und Franziskanerkloster (Franziskanerkirche), das Inselkloster (Klosterkirchen der Dominikaner und Dominikanerinnen), die Nydeggkapelle (Nydeggkapelle) sowie die im 13. und 14. Jahrhundert gestifteten Spitäler (Spitäler) am Rand des ummauerten Stadtgebiets. Das Gleiche gilt für die verschiedenen Beginengemeinschaften (Beginenhäuser) und die Stadthäuser auswärtiger Klöster (Stadthäuser auswärtiger Klöster).

Ansehen und Vermögen steuern die Niederlassung der Orden

Topografische Lage und Ausstattung der kirchlichen Niederlassungen wurden gesteuert durch das Ansehen der einzelnen Orden und Kleriker sowie durch Umfang und Art der Stiftungen, die diese von den Stadtbewohnern zugesprochen erhielten. Daneben bedingten das unterschiedliche Alter der Orden und deren spezifische Aufgaben, dass sie in sehr ungleicher Weise in den Alltag von Bürgern und Einwohnern einbezogen war. Während beispielsweise Chorherren und Kapläne sowie Bettelmönche durch ihre Tätigkeit in Seelsorge und Predigt in ständigem Kontakt zur Stadtbevölkerung standen, führten ein Grossteil der Ordenskleriker sowie Nonnen ein eher kontemplatives Leben mit Gesang und Gebet, was ein Dasein in der Abgeschiedenheit hinter hohen Klostermauern voraussetzte. Diese bevorzugten die Zurückgezogenheit ruhiger Nebengassen, an denen sie ihre städtischen Niederlassungen unterhielten. Bei den Spitälern, dem Siechenhaus (Siechenhaus) und der Elenden Herberge (Elenden Herberge) bewirkten zudem die Angst der Einwohnerschaft vor Ansteckung, das Misstrauen gegenüber allem Fremden sowie der mit Alter, Gebrechlichkeit und Krankheit verbundene soziale Makel, dass sich diese Gebäude in Randlagen oder sogar ausserhalb der Stadtmauern befanden.[2] Charakteristisch für den Standort der Spitäler waren ihre Lage an wichtigen Ausfallstrassen sowie deren Nähe zu fliessenden Gewässern wie dem Stadtbach (Stadtbach) oder der Aare.

Die Kirchen sind mit Altären und Kunstwerken reich ausgestattet

Der wachsende Reichtum (Vermögensentwicklung seit 1389) und die damit verbundene gesteigerte Stiftungstätigkeit von Bürgerinnen und Bürgern machte es möglich, dass bis zum Ende des Mittelalters alle bernischen Kirchen neu errichtet und mit Altären und Kunstwerken reich ausgestattet wurden.[3] Gleichzeitig nahm die Zahl der geistlichen Besitzungen kontinuierlich zu, sodass immer mehr Kleriker und Nonnen ein Auskommen in der Kirche fanden. Sowohl die Niederlassungen der verschiedenen Orden als auch der Bau von Spitälern und Beginenhäusern geschahen seit dem ausgehenden 13. Jahrhundert unter der direkten Einflussnahme des Rats. Die aus der Mitte des Rats der Zweihundert gewählten Kirchenpfleger und Spitalvögte hatten die Aufgabe, die wirtschaftlichen Belange der religiösen Gemeinschaften zu verwalten und diese vor dem städtischen Gericht zu vertreten.[4] Seit der Mitte des 14. Jahrhunderts zeigte sich der Rat ausserdem darum bemüht, die Sonderrechte der Geistlichkeit durch verschiedene Erlasse einzuschränken und das kirchliche Leben weitgehend in den Dienst der Bürger zu stellen. Er versuchte die Tätigkeiten der Kleriker nach seinem Willen zu ordnen, indem er die grösseren Gotteshäuser neben der St. Vinzenzkirche zu lokalen Zentren des religiösen Lebens machte. Von diesen Kirchen aus konnte dann die Seelsorge in den Stadtquartieren (Stadtquartiere) wahrgenommen werden. Vor allem die Dominikanerkirche in der Inneren Neustadt (Innere Neustadt) und die Obere Spitalkapelle in der Äusseren Neustadt (Äussere Neustadt) sowie die Nydeggkapelle am Nydeggstalden (Nydeggstalden) entwickelten sich im Verlauf des 14. und 15. Jahrhunderts zu eigentlichen kirchlichen Zentren der umgebenden Quartierbevölkerung.

Kirchenaufsicht des Rats

Nachdem es Schultheiss und Rat bereits in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts gelungen war, direkten Einfluss auf die Besetzung der Stadtpfarrei zu nehmen, gingen mit der Umwandlung von St. Vinzenz in ein weltliches Chorherrenstift 1484 schliesslich die Patronatsrechte und damit auch die Wahl des städtischen Leutpriesters endgültig vom Deutschen Orden an den Rat über (Kirchgemeinde von St. Vinzenz).[5] Die 1276 von den Deutschherren zur Pfarrei erhobene St. Vinzenzkirche blieb zwar bis 1785 die einzige Pfarrkirche innerhalb Berns, den vier Stadtquartieren kamen jedoch bereits während des Spätmittelalters gewisse Funktionen als Seelsorgebezirke zu. Diese Entwicklung wurde verstärkt, als der Rat die Obere Spitalkapelle (Oberes Spital) und die Nydeggkapelle (Nydeggkapelle) nach 1484 zu repräsentativen Gotteshäusern umbauen liess, in denen sich die Quartierbevölkerung zur Andacht versammeln konnte.

Roland Gerber, 17.02.2018



[1]    Vgl. dazu Eberhard Isenmann: Die deutsche Stadt im Spätmittelalter 1250-1500. Stadtgestalt, Recht, Stadtregiment, Kirche, Gesellschaft, Wirtschaft, Stuttgart 1988, S. 210-230. Zur Bedeutung geistlicher Niederlassungen in spätmittelalterlichen Städten vgl. auch Jürgen Sydow (Hg.): Bürgerschaft und Kirche im Mittelalter (Stadt in der Geschichte 7), Sigmaringen 1980.

[2]    Vgl. dazu Jürgen Sydow: Kirchen- und spitalgeschichtliche Bemerkungen zum Problem der Stadterweiterung und Vorstadt, in: Stadterweiterung und Vorstadt, hg. von Erich Maschke und Jürgen Sydow (Veröffentlichungen der Kommission für geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg, Reihe B: Forschungen 51), Stuttgart 1969, S. 111-113.

[3]    Zum spätmittelalterlichen Kirchenbauboom vgl. auch Peter Jezler: Der spätgotische Kirchenbau in der Zürcher Landschaft. Die Geschichte eines «Baubooms» am Ende des Mittelalters, Wetzikon 1988.

[4]    Zur wachsenden Einflussnahme der Städte auf die Kirche vgl. S. Schröcker: Die Kirchenpflegschaft. Die Verwaltung des Niederkirchenvermögens durch Laien seit dem ausgehenden Mittelalter (Görres-Gesellschaft, Veröffentlichungen der Sektion für Rechts- und Staatswissenschaft 67), Paderborn 1934; Jürgen Sydow: Bürgerschaft und Kirche im Mittelalter. Probleme und Aufgaben der Forschung, in: Bürgerschaft und Kirche, hg. von Jürgen Sydow (Stadt in der Geschichte 7), Sigmaringen 1980, S. 9-25.

[5]    Urs Martin Zahnd: Bern im Spätmittelalter. Das städtische Umfeld des Münsters, in: ”Machs na”. Materialien zum Berner Münster, Bd. 2, Bern 1993, S. 203-220, hier 214.

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