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Laudatio Bäredräck-Preis 2022

28. November 2022

Laudatio von Stadtpräsident Alec von Graffenried anlässlich des Bäredräck-Preises 2022, 28. November 2022

(Es gilt das gesprochene Wort)

Die diesjährige Trägerin des Bäredräck-Preises ist sicher eine der bekanntesten Bernerinnen. Mit ihren inzwischen 35 Jahren hat sie schon eine Reihe von Auszeichnungen eingeheimst, zweimal den Prix Walo — 2010 als «Newcomer» und 2013 in der Kategorie «Hip Hop». Den Swiss Music Award gab es ebenfalls schon zweimal: 2011 in der Kategorie: «Best Talent National» und 2019 in der Kategorie «Best Female Solo Act».

Bei all diesem englischen Kauderwelsch ist hier die Präzisierung angebracht, dass sie meistens auf Berndeutsch singt. Titel wie «Schampar schad» oder «Ha kei Ahnig» gehören zum Repertoire. Aber man findet bei ihr zum Beispiel auch eine besonders melancholische Version des Guggisbärgliedes.

2014 wurde sie überdies mit dem Ida-Somazzi-Preis ausgezeichnet, der seit 1966 jährlich für herausragende Leistungen in der Frauenförderung vergeben wird. Und soeben hat sie den Musikpreis des Kantons Bern erhalten -- als eine der ersten Frauen in der Berner Beatbox- und Rapszene. Sie sei ein Vorbild und habe sich nach einer Pause künstlerisch stark weiterentwickelt.

Als ultimativen Höhepunkt ihrer Karriere erhält die Künstlerin den exklusiven Bäredräck-Preis verliehen. Mit diesem Preis werden Menschen geehrt, die, ich zitiere, «der Stadt Bern mit ihrem Engagement das Gefühl von Lebendigkeit, Farbe und Humor vermitteln».

Die Jury, die jeweils in klandestinen Sitzungen — unter höchster Geheimhaltung wie die Kardinäle im Konklave — den Preisträger oder die Preisträgerin ermittelt, findet, unsere diesjährige Geehrte erfülle diese Kriterien in höchstem Mass. Wobei die Preisträgerin nicht nur in der Bundesstadt Gefühle vermittelt, sondern weit in die Schweiz hinein und sogar über die Landesgrenzen hinaus.

Wer jetzt noch nicht gemerkt hat, von wem ich rede, gehört wahrscheinlich der Generation der frühen Babyboomer an, oder sein Musikverständnis hört gegen Ende des 19. Jahrhunderts auf. Ich rede natürlich von Stefanie Peter, einer waschechten Bernerin aus dem Breitsch, deren Künstlername noch etwas geläufiger ist. Liebe Besucherinnen und Besucher dieses Zibelemärit-Events im Schweizerhof,

Der Bäredräck-Preis 2022 geht an die einzigartige, kreative, dynamische, nachdenkliche, rebellische Steff la Cheffe! 

Eine nüchterne Zusammenfassung ihres Lebenslaufs würde etwa so klingen: Stefanie Peter wurde am 4. April 1987 im Sternzeichen des Widders in Bern geboren. Schon mit 13 Jahren schrieb sie erste Rap-Texte; drei Jahre später hatte sie erste Auftritte. 2009 begleitete sie den berühmten Harfenisten Andreas Vollenweider als Beatboxerin. Zudem wurde sie in Berlin Vizeweltmeisterin im Beatboxen. 

(Zwischenfrage: Wer weiss, was eine Beatboxerin ist? Antwort: Beatboxing ist die Kunst, mit dem Mund Schlagzeug- und andere Percussions-Instrumente zu imitieren. Eine Beatboxerin verwendet dazu, ausser dem Mikrofon, keine Hilfsmittel.)

2010 erschien in Zusammenarbeit mit dem Zürcher Rapper Dodo mit «Bittersüessi Pille» das Debütalbum von Steff la Cheffe. Damit erreichte sie Platz 7 der Hitparade. 2013 gab es für ihr zweites Album «Vögu zum Geburtstag» eine Goldene Schallplatte, ebenfalls für die Single «Ha ke Ahnig», die sich volle 27 Wochen in der Schweizer Hitparade hielt.

2018 erschien das Album «Härz Schritt Macherin», das auf Platz 1 der Charts kletterte; bis auf Platz 2 brachte es 2020 das bisher letzte Album «PS:». 2019 nahm Steff la Cheffe zudem an der Produktion von TV24 «Sing meinen Song – Das Schweizer Tauschkonzert» teil. Neben ihrer Tätigkeit als Musikerin ist sie auch in Theaterproduktionen, als Autorin, Dichterin und Gärtnerin tätig.

Dies ist, wie gesagt, ein nüchterner Kurzlebenslauf.

Aber mit einem nüchternen Kurzlebenslauf wird man Steff la Cheffe nicht gerecht. Im «Magazin» der Tamedia erschien am 29. April 2018 ein riesiges Porträt der Künstlerin. Und darin fand sich der bemerkenswerte Satz (ich zitiere): «Es ist nicht ganz leicht, Steff la Cheffe zu beschreiben, denn so eine wie sie hat die Schweiz noch nie gehabt. Ihre Texte sind wild, frei, verrucht, sie ist eine Frau, die kaum jemandem, der sie mal erlebt hat, je wieder aus dem Kopf geht.» (Zitat Ende.)

Steff la Cheffe hat sich tatsächlich mehrmals neu erfunden. Insofern ist es tatsächlich nicht leicht, sie zu beschreiben.

Aus der erfolgreichen Beatboxerin wurde die erfolgreiche Rapperin, deren erstes Album sofort die Charts hochklettert. Das zweite Album setzte den Anfangserfolg fort.

Der Absturz folgte im Sommer 2016. Steff la Cheffe wirkte am Royal Arena Festival in Orpund, wurde aus dem Publikum beleidigt, zeigte den Stinkefinger und trat vorzeitig ab. «In diesem Moment kam alles zusammen», sagte sie später in einem Interview. Es ging (ich zitiere) «sowohl um eine tiefe private Krise samt Liebeskummer und Jobunsicherheit wie auch für meine Loslösung von der Hip-Hop-Szene. In dem Moment war für mich klar: Freunde, das ist vorbei hier.»

Es war nicht vorbei, glücklicherweise, wie wir heute sagen können. Steff la Cheffe fing an aufzuräumen, wie sie das selber ausdrückt, und sich um sich selbst als Mensch zu kümmern. Sie legte die starren Vorgaben, wie sie in der Hip-Hop-Szene gelten, ab. Zitat: «Ich habe mich selbst wieder neu gefunden. Und auch ein neues Selbstbewusstsein nach der langen Pause.» (Zitat Ende.)

In der langen Pause hatte man sie unter anderem als Verkäuferin am Jumi-Käsestand jeweils samstags in der Münstergasse gesehen, wo sie einfach Steffi war, nicht la Cheffe.

Resultat dieser Selbstfindung war schliesslich das in den höchsten Tönen gerühmte, erfolgreiche Album «Härz. Schritt. Macherin», worin die Künstlerin ihren Kummer und ihre Wut verarbeitete und damit ein authentisches Meisterwerk schuf. Das folgende Album «PS:» war nicht geplant, sondern entstand sozusagen in einem natürlichen Prozess als Fortsetzung von «Herz. Schritt. Macherin».

Einige der Lieder auf «PS:» waren schon für «Härz. Schritt. Macherin» geschrieben worden, passten aber thematisch oder stilistisch nicht aufs Album. Steff la Cheff fand diese Songs jedoch immer super. Sie wollte ihnen, so sagt sie selber, Freilauf geben. Dann entstanden während des Aufnahmeprozesses rasch neue Songs, teilweise auch aus alten Texten.

Während «Härz. Schritt. Macherin» einem Schaffensprozess von zwei Jahren entsprang, entstand «PS:» in einer Art Flow in wenigen Wochen. Es geht auch bei «PS:» wider um die Liebe und den Kummer, den sie Steff la Cheffe bereitete und vielen anderen ebenfalls bereitet. «PS:» war auch ein Akt der Befreiung. Und ein weiterer Akt der Versöhnung mit der Musik, welche die Künstlerin eine zeitlang ernsthaft hatte aufgeben wollen.

Die schwermütige Zeit hat Steff la Cheffe hinter sich gelassen. Sie hat auch ihre Kindheit verarbeitet, in welcher der Vater abwesend war und die Mutter drei Kinder allein aufziehen musste: «Mami hät kei Chole gha, Papi hät en Vogu gha, isch verschoue, isch usgfloge.»

«Die Berner Rapperin Steff la Cheffe therapiert sich und ihre Hörer auf ihrem neuen Album mit Blumenmetaphern und Zuversicht», schrieb ein Kritiker leicht süffisant. Doch bei aller Zuversicht, die «PS:» verströmt, haben auch in diesem ihrem vierten Album Wut und Drama ihren Platz. Harmlos ist «PS:» ganz gewiss nicht.

Steff la Cheffe tritt heute als erfahrene und gereifte, aber immer noch ebenso empathische wie rebellische Künstlerin auf. Ihr Publikum verehrt sie; die Jury verehrt sie ebenfalls und verleiht ihr dafür den Bäredräck-Preis. Herzliche Gratulation, liebe Steffi.

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