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Sondergruppen im Bürgerrecht

Das bernische Bürgerrecht stand auf dem Land residierenden adligen und geistlichen Herren ebenso offen wie Klostergemeinschaften und Bürgerschaften ganzer Städte.

Wie sich der Rechtsstatus der Stadtbewohner im Verlauf des 14. und 15. Jahrhunderts zunehmend differenzierte und der Rat zwischen haushäblichen Ratsbürgern (Haushäbliche Ratsbürger), selbständigen Haushaltvorständen und einfachen Knechten und Mägden unterschied, die kein eigenes Feuer und Licht innerhalb der Stadtmauern besassen, gliederte sich auch das ursprünglich einheitliche Bürgerrecht (Aufnahme ins Bürgerrecht) bis zum Ende des Mittelaltes in verschiedene Kategorien.[1] Eine wichtige Sondergruppe innerhalb des Bürgerrechts waren seit dem ausgehenden 13. Jahrhundert die Ausbürger (Ausbürger). Sie lebten ausserhalb des städtischen Friedensbezirks (Stadtrecht) auf dem Land, genossen aber trotzdem das Bürgerrecht in Bern.[2] Zur Gruppe dieser Ausbürger gehörten auf der einen Seite auf dem Land ansässige Personen wie Bauern, Wirte und Müller, von denen die meisten in einer lehens- oder grundrechtlichen Abhängigkeit zu einem adligen oder geistlichen Herren (Weltliche und geistliche Gerichtsherren) standen, sowie auf der anderen Seite die mit Bern verburgrechteten ländlichen Herrschaftsträger sowie Bürgerschaften ganzer Städte wie Freiburg, Solothurn und Neuenburg (Ausdehnung der Ratsherrschaft auf die Landschaft).[3]

Im Unterschied zu gewöhnlichen Ausbürgern, deren Rechtsstatus bis zum ausgehenden 15. Jahrhundert mit Ausnahme des aktiven und passiven Wahlrechts grundsätzlich jenen der stadtsässigen Bürger entsprach, wurde das Verhältnis zwischen den sozial hochgestellten Ausbürgern und der Stadt schriftlich fixiert (Neubürger- und Untertaneneid).[4] Innerhalb der Gruppe der Ausbürger bildeten die ländlichen Herrschaftsträger somit einen kleinen privilegierten Kreis so genannter Vertrags- oder Gedingbürger (Gedingbürger), deren Rechte und Pflichten (Bürgerpflichten) der Rat in speziellen Burgrechtsverträgen verurkundete.[5] Ebenfalls zu den Gedingbürgern zählten die nur vorübergehend in der Stadt ansässigen Kaufleute sowie die von ausserhalb zugewanderten Juden (Juden) und Lombarden (Lombarden und Kawertschen). Zu einer speziellen Kategorie von Bürgern gehörten nicht zuletzt auch alleinstehende Frauen und Witwen (Bürgerinnen), die seit dem ausgehenden 13. Jahrhundert im Besitz des bernischen Bürgerrechts erscheinen.

Roland Gerber, 14.07.2018



[1]    Vgl. dazu Hans-Jörg Gilomen: Städtische Sondergruppen im Bürgerrecht, in: Neubürger im späten Mittelalter, hg. von Rainer C. Schwinges (Beiheft der Zeitschrift für Historische Forschung), Berlin 2002, S. 125-167; sowie Eberhard Isenmann: Die deutsche Stadt im Spätmittelalter 1250-1500. Stadtgestalt, Recht, Stadtregiment, Kirche, Gesellschaft, Wirtschaft, Stuttgart 1988, S. 98-102.

[2]    Eberhard Isenmann ordnet Pfahlbürger und Ausbürger terminologisch zwei unterschiedlichen sozialen Gruppen zu. Seiner Meinung nach verfügten die meist adligen Ausbürger über Grund- und Gerichtsrechte in der Landschaft, während die Pfahlbürger hauptsächlich wohlhabende Bauern waren, die keine Herrschaftsrechte besassen; Eberhard Isenmann: Die deutsche Stadt im Spätmittelalter 1250-1500. Stadtgestalt, Recht, Stadtregiment, Kirche, Gesellschaft, Wirtschaft, Stuttgart 1988, S. 98f. Zum Begriff des «Pfahl- und Ausbürgers» vgl. auch die grundlegende Arbeit von Max Georg Schmidt: Die Pfahlbürger, in: Zeitschrift für Kulturgeschichte 9 (1902), S. 241-321; sowie Guy P. Marchal: Pfahlbürger, bourgeois forains, buitenpoorters, bourgeois du roi. Aspekte einer zweideutigen Rechtsstellung, in: Neubürger im späten Mittelalter, hg. von Rainer C. Schwinges (Beiheft der Zeitschrift für Historische Forschung), Berlin 2002, S. 333-367.

[3]    Das bekannteste Burgrecht eidgenössischer Städte ist jenes, das Bern, Zürich und Luzern am 23. Mai 1477 mit Freiburg und Solothurn abschlossen. Vgl. dazu Ernst Walder: Zur Entstehungsgeschichte des Stanser Verkommnisses und des Bundes der VIII Orte mit Freiburg und Solothurn von 1481, in: Schweizerische Zeitschrift für Geschichte 32 (1982), S. 263-292.

[4]    Zur rechtlichen und politischen Bedeutung von Burgrechtsverträgen im Gebiet der Eidgenossenschaft vgl. Gasser, Landeshoheit, S. 385-414; sowie Dorothea A Christ: Hochadelige Eidgenossen. Grafen und Herren im Burgrecht eidgenössischer Orte, in: Neubürger im späten Mittelalter, hg. von Rainer C. Schwinges (Beiheft der Zeitschrift für Historische Forschung 30), Berlin 2002, S. 99-123.

[5]    Zum Begriff des «Gedingbürgers» vgl. Claudia Kalesse: Bürger in Augsburg. Studien über Bürgerrecht, Neubürger und Bürger anhand des Augsburger Bürgerbuchs I (1288-1497), Dissertation maschinenschriftlich, Augsburg 1997, S. 113-120.

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