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Ober- und Unterstadt

Die Nutzung der stadteigenen Wälder sowie der Allmenden im Westen und Osten Berns führte im 13. Jahrhundert zu einer Zweiteilung des Stadtgebiets in eine Obere und Untere Stadtgemeinde.

Die Nutzung der im Westen und Osten an Bern angrenzenden Allmenden führte bereits im 13. Jahrhundert zu einer wirtschaftlichen Zweiteilung des Stadtgebiets in eine Obere und eine Untere Stadtgemeinde.[1] Die Grenze zwischen diesen beiden Gemeinden verlief entsprechend der Viertelseinteilung (Stadtviertel) bis zum Ende des 15. Jahrhunderts entlang der Kreuzgasse, die die zähringische Gründungsstadt (Zähringerstadt) zwischen Zeitglockenturm und Nydegg (Nydeggstalden) von Nord nach Süd in etwa zwei gleich grosse Hälften teilte. Während die östlich der Kreuzgasse ansässigen Bürger ihre Viehherden auf der rechten Seite der Aare weiden liessen, trieben die Bürger in der Oberstadt ihre Tiere auf die Stadtallmend links der Aare. Ebenfalls seit dem 13. Jahrhundert nach der Gemeindezugehörigkeit organisiert waren der Bezug von Brenn- und Bauholz sowie die jeden Herbst von der Bürgerschaft durchgeführte Schweinemast in den beiden bernischen Hochwäldern Forst und Bremgartenwald.[2]

Die genossenschaftliche Nutzung der direkt ans Stadtgebiet anstossenden Wälder sowie der Weidgang des städtischen Viehs auf den beiden Allmenden hatten für die Bürgerschaft während des gesamten Spätmittelalters eine wichtige ökonomische Bedeutung.[3] Bereits im 13. Jahrhundert liessen deshalb Schultheiss und Rat die von der Stadt beanspruchten Nutzungsrechte im Forst und Bremgartenwald in Artikel 6 der Goldenen Handfeste (Goldene Handfeste) als königliche Freiheiten bestätigen.[4] Auch sonst bildete der Schutz der stadtnahen Wälder und Weiden vor einer Überbeanspruchung durch Mensch und Tier ein wichtiges Anliegen des Rats, der den Forst und Bremgartenwald seit dem beginnenden 14. Jahrhundert regelmässig strengen Schutzbestimmungen unterwarf.[5] Neben dem Sammeln von Brenn- und Bauholz war es seit dem 15. Jahrhundert vor allem die Zahl des auf den Allmenden gehaltenen Schlachtviehs, die der Rat reglementierte und kontingentierte.

Begrenzung der Schafhaltung auf höchstens 200 Tiere

Eine erste Einschränkung erfuhr die Beweidung der Stadtallmenden an der Wende vom 14. zum 15. Jahrhundert, als der Rat bestimmte, dass alle Schafe, die sich länger als vier Tage auf den Allmenden aufhielten, nur noch in Bern verkauft oder geschlachtet werden durften.[6] In einer weiteren Satzung aus dem Jahre 1403 begrenzten Schultheiss und Rat (Schultheiss und Rat) die Zahl jener Schafe, die ein Bürger während eines Jahres auf die Stadtallmenden treiben durfte und nicht auf dem städtischen Markt (Märkte) verkaufte, auf höchstens 200 Tiere.[7] Nach einer wahrscheinlich ebenfalls zu Beginn des 15. Jahrhunderts erlassenen Stadtsatzung hatten die Bürger jedoch zur Zeit der Schafschur im Frühsommer das Recht, jeweils bis zu 50 Schafe auf den Stadtallmenden weiden zu lassen.[8] Zu Beginn des 16. Jahrhunderts waren es dann vor allem die auf den Allmenden gehaltenen Schweine, deren Zahl Schultheiss und Rat einschränkten.[9] Nach einer 1530 erlassenen Satzung durften jene Stadtbewohner, die keine eigenen Gärten oder Äcker besassen, höchstens zwei Schweine und alle übrigen höchstens vier Schweine halten. Ausserdem mussten sämtliche Schweineställe im Stadtzentrum nach Ablauf einer Frist geräumt werden und durften auch nachher nicht wieder aufgebaut werden.[10] Auf dem Land beschränkte der Rat die Grösse der Schweineherden auf höchstens 30 Tiere, wobei landlose Tagelöhner höchstens noch fünf Schweine besitzen durften.[11]

Metzger und Gerber profitieren von den Weiderechten

Die überlieferten Höchstwerte für die Haltung von Schafen und Schweinen machen deutlich, welch grosse wirtschaftliche Bedeutung den Nutzungsrechten der an Bern stossenden Wälder und Weiden für die Bürgerschaft zukam. Vor allem Metzger und Gerber (Handwerkszünfte) profitierten von den Weiderechten, indem sie in nächster Nachbarschaft der Stadt grössere Viehherden hielten und diese anschliessend auf dem Markt verkauften oder zum Schlachten in die Schlachthäuser (Obere und Niedere Fleischschal) führten. Aber auch die weniger vermögenden Bürger nahmen regen Anteil an den städtischen Weiderechten, indem sie Schweine, Ziegen oder Schafe auf die Allmenden oder zur Eichelmast in die stadteigenen Felder und Wälder trieben, was ihnen ein gewisses wirtschaftliches Auskommen sicherte. Schliesslich ermöglichte es die Nutzung der Stadtallmenden einem Teil der in Bern ansässigen Handwerker, dass sich diese ein Reitpferd leisten konnten und auf diese Weise die ökonomischen Voraussetzungen zur Ausübung kommunaler Ämter erfüllten (Ratsämter und Behörden).

Die Vierer als Allmendaufseher «niden und oben uss»

Die Ober- und Unterstadt besassen im Unterschied zu den Stadtvierteln keine eigenen Gemeindevorsteher, die die Bewohnerschaft der beiden Stadthälften in den kommunalen Ratsgremien vertreten hätten. Beide Stadtteile stellten jedoch Vertrauenspersonen, die eidlich dazu verpflichtet waren, die der Stadtbevölkerung zustehenden Allmend- und Waldnutzungsrechte zu überwachen. Im 14. und 15. Jahrhundert werden neben zwei aus der Stadtkasse (Säckelmeister) besoldeten Hirten mehrere Bannwarte und Förster sowie je zwei Rebmeister und Weibelsboten niden uss und oben uss genannt. Diese wurden jeweils aus der Mitte der Bewohnerschaft der beiden Stadtteile ernannt.[12] Seit dem beginnenden 16. Jahrhundert oblag es dann den ebenfalls aus der Ober- und Unterstadt gebildeten Ausschüssen der so genannten Vierer, die beiden Allmenden westlich und östlich Berns zu beaufsichtigen. Nach einer 1514 erlassenen Satzung hatten die Vierer insbesondere dafür zu sorgen, dass die Bürger keine Zinsgüter aus dem Stadtbesitz entfremdeten, niemand Obst und Gemüse aus den von der Stadt verliehenen Gärten stahl oder Viehställe und Scheunen ohne Erlaubnis des Rats auf den Allmenden errichtete.[13]

Obwohl die Bewohner der Ober- und Unterstadt während des gesamten Mittelalters keinerlei politische Rechte genossen, kam es mit der wachsenden Bedeutung der Zünfte zu Beginn des 15. Jahrhunderts zu einer gewissen Aufwertung der beiden Stadthälften (Politische Bedeutung der Zünfte). Dies drückte sich vor allem in der Zweiteilung der politisch einflussreichen Vennerzünfte (Vennergesellschaften und Vennerviertel) in eine Obere und eine Untere Gesellschaft (Zunft- und Gesellschaftshäuser) aus. Erstmals erkennbar wird diese Entwicklung in einer Bestimmung von 1438. Diese verlangte, dass jedes Jahr je ein Venner aus der Oberstadt und je einer aus der Unterstadt durch einen neuen zu ersetzen sei.[14]

Roland Gerber, 10.02.2018



[1]    Vgl. dazu auch Johann Rudolf Gruner: Deliciae urbis Bernae. Merckwürdigkeiten der hochlöblichen Stadt Bern, Zürich 1732, S. 450.

[2]    Roland Gerber: Öffentliches Bauen im mittelalterlichen Bern. Verwaltungs- und finanzgeschichtliche Untersuchung über das Bauherrenamt der Stadt Bern 1300 bis 1550 (Archiv des Historischen Vereins des Kantons Bern 77), Bern 1994, S. 97-99 und 109-114.

[3]    Zur existentiellen Bedeutung des Waldes für die Bevölkerung einer mittelalterlichen Stadt vgl. Lorenz Sönke: Wald und Stadt im Mittelalter. Aspekte einer historischen Ökologie, in: Wald, Garten und Park. Vom Funktionswandel der Natur für die Stadt, hg. von Bernhard Kirchgässner und Joachim B. Schultis (Stadt in der Geschichte 18), Sigmaringen 1993, S. 25-34.

[4]    SSRQ Bern I/1, Artikel 6, S. 5f.

[5]    Roland Gerber: Öffentliches Bauen im mittelalterlichen Bern. Verwaltungs- und finanzgeschichtliche Untersuchung über das Bauherrenamt der Stadt Bern 1300 bis 1550 (Archiv des Historischen Vereins des Kantons Bern 77), Bern 1994, S. 110-114.

[6]    SSRQ Bern I/2, Nr. 241, S. 111.

[7]    SSRQ Bern I/2, Nr. 242, S. 111.

[8]    SSRQ Bern I/1, Nr. 273, S. 171; sowie Hermann Rennefahrt: Grundzüge der bernischen Rechtsgeschichte, Teile 1-4 (Abhandlungen zum schweizerischen Recht, N.F. Hefte 34, 66, 81 und 114), Bern 1928-1936, hier Bd. 2, S. 106f.

[9]    Roland Gerber: Öffentliches Bauen im mittelalterlichen Bern. Verwaltungs- und finanzgeschichtliche Untersuchung über das Bauherrenamt der Stadt Bern 1300 bis 1550 (Archiv des Historischen Vereins des Kantons Bern 77), Bern 1994, S. 109f.

[10]  SSRQ Bern V, Nr. 29a, S. 49f. (4. September 1530).

[11]  SSRQ Bern V, Anm. 1, S. 51 (4. September 1530).

[12]  Vgl. dazu die Ordnung der Rebleute in SSRQ Bern I/2, Nr. 118, S. 79f., und deren Eid in SSRQ Bern I/2, Nr. 125, S. 93; sowie SSRQ Bern I/1, Nr. 273, S. 171f.

[13]  SSRQ Bern VIII/2, Nr. 270 und 271, S. 748-751. Vgl. dazu auch Roland Gerber: Öffentliches Bauen im mittelalterlichen Bern. Verwaltungs- und finanzgeschichtliche Untersuchung über das Bauherrenamt der Stadt Bern 1300 bis 1550 (Archiv des Historischen Vereins des Kantons Bern 77), Bern 1994, S. 97-99.

[14]  SSRQ Bern I/2, Nr. 212, S. 145.

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