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25. Oktober 2000 | Gemeinderat, Direktionen

Bericht Zivilschutzangehörigen - Die Berner sind schneller als man meint!

Rascher Einsatz

Kaum war das Ausmass der Walliser Unwetterkatastrophe bekannt, reagierte der Zivilschutz der Stadt Bern. Bereits übers Wochenende vom 21./22. Oktober gelang es ihm 20 Mann ins Krisengebiet der Gemeinde Baltschieder für einen Sondereinsatz zu verlegen.

Nach deren Rückkehr am Sonntagabend, folgten aber schon am Montag dem 23. Oktober weitere 75 Zivilschutzpflichtige aus der Stadt Bern.

Eigentlich wäre man ja nach Thun gefahren –Lothar Sturmschäden aufräumen, hiess es im Einsatzbefehl – frische Luft und Äste aufsammeln ... das hat wohl mancher der Zivilschutzpflichtigen gedacht, als der das Aufgebot im Briefkasten fand.

"Der Wald kann warten," sagt einer der Männer. Eng hocken sie zusammen, hinten in den Armeefahrzeugen. "Ja, die im Wallis haben es wirklich nötiger." Fast jeder kennt jemanden im Land am Rhonestrand, manche haben sogar Verwandte.

Und jetzt ?

"Die Räumungsarbeiten kommen sehr gut voran – die Lage normalisiert sich." So steht es in der offiziellen Pressemappe der Gemeinde Baltschieder vom 23. Oktober.

Das bedeutet: Weit über dreitausend ! Lastwagen Schlamm, Sand, Kies und Geröll wurden abgetragen. Tausende werden folgen. Die Armee ist noch immer Tag und Nacht im Einsatz. Mancherorts haben die Hausbesitzer das Ausmass der Schäden noch gar nicht gesehen –

90 Tonnen beschädigter Hausrat wurden heute der Kehrichtverbrennung zugeführt.

Zwischen den Häusern

7 Uhr in der Früh: Noch ist es dunkel. Bald wird die Sonne über den zerstörten Häusern stehen. Es ist kaum zu glauben. Hier soll es wirklich derart geregnet haben ? denken bestimmt einige der Männer, die schweigend im Halbkreis zusammenstehen und rauchen. Gestern, am ersten Tag im Einsatz, hat mancher noch über einen beiläufigen Scherz gelacht. Erst heute hat sie der ganze Schrecken in Innern erreicht. Die Gesichter sind ernst geworden.

Mittlerweile ist es Tag geworden.

Hab und Gut liegt auf grossen Haufen. Da eine Nähmaschine, hier ein zerbrochenes Spielzeug –

Selbst Haustiere wurden nicht verschont. Eine rothaarige Katze springt ums beim Rundgang entgegen. Denn wo es kein Haus mehr hat, ist sie einfach eine verirrte Katze.

Seltsam gefasst wirken die Einheimischen, die für kurze Zeit ins Dorf zurückkehren dürfen. Ein Mann - das erste Mal vor seinem völlig verwüsteten Haus - die Balken aus den Mauern gebrochen, der Keller voller Kies, die Waschmaschine unbrauchbar geworden. Er sieht sich um, er schüttelt nicht einmal der Kopf. Er tritt die Türe zum Keller auf. Nimmt eine Schaufel. Er fängt an den Schutt wegzuräumen.

Eine Frau spricht uns an: "Kommen die vom Militär ? – sie haben versprochen, sie wollen rund ums Haus noch – " weiter kommt sie nicht – wir nicken, es macht Mühe ihr in die Augen zu sehen. Sie hat gewiss schon lange nicht mehr richtig geschlafen. Gepresst raucht sie eine Zigarette. Es braucht keine Worte: Heimatlosigkeit ist ein böses Gefühl.

Schaufeln, Pickeln und Schwitzen

Solidarität heisst nicht nur Spenden sondern eben auch Schweiss. Die Zivilschutzpflichtigen aus der Stadt Bern machen Zivilschutz im wahrsten Sinne des Wortes: Sie schützen das Zivile. Das ist hier ihre Hauptaufgabe. Die Habseligkeiten gehören dazu, der private Besitz.

Sie zerren Äste aus Zäunen, leiten faulig stinkendes Wasser aus Garagen, sichern Bankbelege, graben auf Knien mit kurzstieligen Schaufeln Ställe frei, retten das Wenige was es noch zu retten gibt.

Der Winter kommt bald. Die leergeräumten Häuser werden kaum trocknen ...

Jeder Einzelne leistet vollen Einsatz: Denn Heimat ist, wo man sich gegenseitig hilft.

 

Örtliche Besonderheiten

Seit gestern kursiert unter den Zivilschutzpflichtigen aus der Stadt Bern das Gerücht, man habe beim Freilegen eines überschwemmten Kellers zwei Forellen gefangen -

Wie weit das stimmt konnte nicht in Erfahrung gebracht werden. Was aber mit Sicherheit gesagt werden kann: während der Aufräumarbeiten in Baltschieder wird ein striktes und besonderes Alkoholverbot eingehalten. Obwohl das nicht leicht ist, weiss man doch, die Walliser sind einem guten Tropfen nicht abgeneigt. Und der wird den Helfern aus Bern auch gerne angeboten.

Weitere Informationen.

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