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14. November 2006 | Gemeinderat, Direktionen

Eine Stadt steht still - Drei Schweigeminuten für Ungarn 1956 in der Stadt Bern

Eine Fotoserie von Walter Studer im Stadtarchiv Bern, Erlacherhof, Junkerngasse 47, Westflügel, 1. Stock, 20. November 2006 bis 31. März 2007

Die ungarische Revolution von 1956 löste in der Schweiz eine beispiellose Welle der Solidarität aus. Der Berner Fotograf Walter Studer hielt die eindrücklichste Manifestation emotionaler Betroffenheit in einer Fotosequenz fest: die drei Schweigeminuten für Ungarn vom Dienstag, 20. November 1956, die in der Stadt Bern wie auch in der ganzen übrigen Schweiz das Leben zum Stillstand brachten.

In Ungarn entstand nach der Machtübernahme der Kommunisten im Jahre 1949 eine der grausamsten Diktaturen des Ostblocks.

Der Tod Stalins 1953 und der Abzug der Russen aus Österreich 1955 weckten in Osteuropa neue Hoffnungen. Im Oktober 1956 weitete sich in Budapest eine Solidaritätskundgebung für polnische Arbeiter rasch zum Massenprotest gegen die herrschende Regierung aus. Unter dem reformerisch gesinnten Imre Nagy unternahm Ungarn die ersten Schritte zu einem demokratischen Sozialismus.

Am 4. November 1956 unterdrückte das russische Militär den Aufstand blutig. 2’652 Menschen starben in den Strassenkämpfen, 19’926 wurden verwundet. Rund 20'000 erhielten Haftstrafen, und mindestens 229 wurden zum Tode verurteilt (darunter 6 Frauen). Über 200'000 Menschen flohen ins westliche Ausland. Die Schweiz nahm 13’800 ungarische Flüchtlinge auf.

Eine Welle der Sympathie und Spendenbereitschaft empfing die Ungarinnen und Ungarn. Einzelpersonen, private Organisationen und staatliche Behörden sammelten spontan Hilfsgüter, stellten Unterkünfte zur Verfügung und leisteten unbürokratische Unterstützung für Aufbau einer neuen Existenz. Die Schweiz war betroffen vom politischen Unglück eines nahe gelegenen Kleinstaats. Gleichzeitig bot das tragische Geschehen die Möglichkeit, die Ablehnung des Kommunismus öffentlich zu dokumentieren und das eigene Land als Hort der Freiheit und der Humanität darzustellen.

Ein Höhepunkt der vielfältigen Manifestationen des Mitgefühls der Schweizerinnen und Schweizer mit dem ungarischen Volk waren am Dienstag, 20. November 1956, drei im ganzen Land befolgte Schweigeminuten. Nach dem Einläuten durch die Kirchenglocken standen an jenem Dienstag von 11.30 Uhr bis 11.33 Uhr alle privaten und öffentlichen Tätigkeiten im Gedenken an die Vorgänge in Ungarn still.

In der Stadt Bern dokumentierte der Fotograf Walter Studer zusammen mit seinen Helfern den einmaligen Vorgang auf dem Bubenbergplatz, in der Spitalgasse, im Bundeshaus und auf den Bahngeleisen der SBB. Da ihrem Wesen nach die Fotografie auch den belebtesten Gegenstand stets in einem kurzen Moment für die Ewigkeit unbeweglich festhält, musste der Fotograf eine besondere Bildsprache wählen, um den tatsächlichen Stillstand der Welt vor dem Objektiv zum Ausdruck zu bringen. Mittels des weiten Winkels kombinierte er den Ausdruck des Innehaltens der Menschen mit der Leere des sonst vom Verkehr ausgefüllten Raums der Umgebung. Zudem erstellte er eine Sequenz von Bildern mit jeweils leicht verändertem Aufnahmestandort. Um den Stillstand zu fotografieren, musste sich der Fotograf paradoxerweise rasch bewegen.

Die Bedeutung der ungarischen Revolution von 1956 liegt neben der historischen Tragweite auch in ihrer Rolle als grosses Medienereignis. Erstmals beteiligte sich das Fernsehen neben Presse und Radio an der Berichterstattung. Auf dem Höhepunkt ihrer Wirkung standen die Fotojournalisten, die dramatische und nachhaltig prägende Bilder von verzweifeltem Heldenmut und leidvollem Flüchtlingsschicksal schufen. Sie entwickelten eine fotohistorisch eigene Sprache, die noch heute fasziniert. Einer der bekanntesten Pressefotografen, die mitten im kriegerischen Geschehen standen, ist der Wiener Fotograf Erich Lessing, von dem soeben der grossformatige Bildband «Budapest 1956 – Die Ungarische Revolution» erschienen ist.

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Titel Bearbeitet Grösse
Ausstellung Ungarn 1956 (PDF, 881.5 KB) 20.11.2006 881.5 KB

Stadtarchiv Bern

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