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15. Februar 2019 | Gemeinderat, Direktionen

Nachruf: Jürg Biancone (1937−2019), erster Vizestadtschreiber der Stadt Bern

Am 3. Februar 2019 ist Jürg Biancone, langjähriger Vize-Stadtschreiber der Stadt Bern, verstorben. Alt-Stadtarchivar Emil Erne hat den nachfolgenden Nachruf verfasst.

Als Jürg Biancone am 1. Juli 1981 zur Stadtkanzlei zurückkehrte, hiess seine neue Stelle noch wie seit 1916 Stadtschreiber-Stellvertreter; ab 1998 wurde sie in Vizestadtschreiber umbenannt. Das war auch richtig so, denn Biancone war nie Stellvertreter eines Stadtschreibers; vielmehr waren die Stadtschreiberinnen Elsbeth M. Schaad und Irène Maeder Marsili seine Vorgesetzten. In beiden Fällen ergab sich daraus ein erfolgreiches, nicht nur geschlechtsspezifisch ausgewogenes Tandem. Traditionellerweise bekleidete eine Person mit juristischem Hintergrund das Stadtschreiberamt und beriet den Gemeinderat in allen rechtlichen Belangen; der Vize dagegen war zuständig für alles Praktische: für die Durchführung von Wahlen und Abstimmungen, bis zur Schaffung des Ratssekretariats 2001 für die Versorgung des Stadtrats mit den Sitzungsunterlagen und allem, was das Parlament sonst noch braucht, für die Veranstaltung der offiziellen Bundesfeier auf dem Münsterplatz und anderer Anlässe sowie u.a. für die Betreuung des Budgets der Stadtkanzlei.

Jürg Biancone war Organisator, Ansprechperson, Fachmann für Logistik, Troubleshooter, Vertrauensmann, Laufbursche für alles Mögliche, derjenige, «der alles wusste, minutiös organisierte und Berns Politmaschinerie diskret managte», wie es in einem Zeitungsartikel anlässlich seiner Pensionierung hiess. Man sah ihn mehr unterwegs als tagelang hinter dem Bürotisch. An Wahltagen war er der Erste, der das Ergebnis kannte, und fünfmal musste er einem amtierenden Gemeinderatsmitglied die brutale Botschaft von der Abwahl überbringen. Er diente unter drei Stadtpräsidenten, 19 Gemeinderäten und sieben Gemeinderätinnen. Er nahm an unzähligen Stadtrats- und Gemeinderatssitzungen teil, half bei der Vorbereitung, Traktandierung und Protokollführung mit und stellte als operativer Leiter das Funktionieren der Stadtkanzlei als Drehscheibe für Politik und Verwaltung sicher. Mit seinem zurückhaltenden Auftreten in der Art eines Gentlemans hatte er sich nie in den Vordergrund gedrängt, aber er war allseits hochgeschätzt als profunder Kenner der Stadtverwaltung.

Er war auch für den Erlacherhof als Sitz des Gemeinderats und des Stadtpräsidenten verantwortlich. In seiner Amtszeit kam eine gründliche Renovation dieses repräsentativen Stadtpalais aus dem 18. Jahrhundert zum Abschluss. Zeitweise hatten Gemeinderat und Stadtkanzlei ins gegenüberliegende Morlothaus dislozieren müssen, was einige logistische Herausforderungen bedeutete. Und immer wieder hatte Bia – wie sein Aktenkürzel lautete – Raumfragen für die Dienststellen der Präsidialdirektion zu lösen. Neue Ämter zogen ein, andere wurden ausgelagert. Nicht mehr benutzte Keller- und Estrichräume konnten für das damals noch im Westflügel untergebrachte Stadtarchiv behelfsmässig eingerichtet werden. Längere Zeit beschäftigten ein bürgerfreundlicherer Empfang inklusive ausgeklügeltem Sicherheitsdispositiv sowie das Bedürfnis nach einer Cafeteria für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter den Hausherrn. Immer wieder stand er plötzlich in der Bürotür und brachte die schlechte Nachricht, wenn gezügelt werden musste, oder die gute, wenn ein Aktenschrank doch noch angeschafft werden konnte. Biancone war mit seiner offenen, kommunikativen Art die Seele des Hauses, war jederzeit verfügbar und nicht auf einen strikten Büroschluss fixiert. Dass vielleicht einmal ein Geschäft unter einem Aktenstapel liegenblieb, würde er selber wohl nicht bestreiten.

Jürg Biancone hat die Berner Stadtverwaltung des letzten Drittels des 20. Jahrhunderts miterlebt und mitgeprägt: zunächst die Epoche des beschleunigten Verwaltungsausbaus infolge wachsender städtischer Aufgaben, dann die Phase der wiederholten Reorganisationen und schliesslich die Zeit der sich häufenden Sparmassnahmen. Der Eintritt der Frauen auf allen Ebenen in Politik und Verwaltung, die Erweiterung des Parteienspektrums, die Schaffung der Präsidialdirektion, die Einführung der elektronischen Datenverarbeitung, die Bildung von Quartierkommissionen und die Totalrevision der Gemeindeordnung waren ein paar Schwerpunkte in seiner Amtszeit.

Geboren am 15. April 1937, wuchs er im Berner Ostring-Quartier auf. Nach einer KV-Lehre bei der damals bekannten Eisenwarenhandlung Christen AG bildete er sich weiter zum Kaufmann HKG. Am 1. Oktober 1969 trat er als Sekretär und Rechnungsführer der Stadtkanzlei in den Dienst der Stadt Bern, doch schon ein Jahr später holte ihn der damalige Stadtpräsident Reynold Tschäppät als Adjunkt II beim Wirtschaftsamt in die neu geschaffene Planungs- und Wirtschaftsdirektion. Dort stieg er 1978 zum Direktionssekretär auf und hatte u.a. die Gemeinderatsgeschäfte vorzubereiten.

Inoffizieller Spezialist für Jugendfragen wurde Biancone, als er beim Aufbau des 1971 eröffneten Jugend- und Kulturzentrums Gaskessel mithalf und mit viel Geschick und Besonnenheit als Ansprechperson der Stadt für das 1981 in der Reitschule eingerichtete Autonome Jugendzentrum fungierte, und dem Hüttendorf Zaffaraya überbrachte er die Beschlüsse des Gemeinderats höchstpersönlich.

Auch nach seiner Pensionierung am 30. April 2000 blieb Jürg Biancone aktiv. So half er mit beim Transport von medizinischen Hilfsgütern in den Balkan, stellte seine Erfahrung weiterhin dem Stimmausschuss zur Verfügung und war Vorstandsmitglied in entsprechenden Fördervereinen. Auf privaten Reisen begeisterten ihn moderne Kunst und Architektur. Im Juli 2017 kehrte er ins Quartier seiner Kindheit zurück, wo er selbständig im Domicil Egelmoos wohnte. Nach kurzer Krankheit ist er am 3. Februar 2019 verstorben.

Emil Erne, Alt-Stadtarchivar der Stadt Bern

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