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Sprachleitfaden: Kommunikation und Behinderungen

In diesem Sprachleitfaden erhalten Sie Tipps zum Schreiben und Sprechen über Menschen mit Behinderungen. Sie können den Sprachleitfaden online lesen oder ihn als barrierefreies PDF herunterladen.

Sie können den Sprachleitfaden online lesen oder ihn als barrierefreies PDF herunterladen.
Titel
Sprachleitfaden Kommunikation und Behinderungen (barrierefrei) (PDF, 570.0 KB)

Unsere Sprache befindet sich in einem stetigen Wandel. Die Bedeutung und korrekte Verwendung von einzelnen Wörtern oder ganzen Redewendungen verändern sich im Lauf der Zeit. Auch der Umgang mit Menschen mit Behinderungen hat sich in den letzten Jahrzehnten stark verändert. Ziel ist nicht mehr nur Fürsorge, sondern auch gesellschaftliche Zugehörigkeit und ein selbstbestimmtes Leben ohne Diskriminierung[1].

Dieser Leitfaden zeigt Ihnen, wie Sie respektvoll mit und über Menschen mit Behinderungen sprechen, Missverständnisse verhindern und Barrieren abbauen. Wenn Sie weitere Fragen zum Thema haben, steht Ihnen die Fachstelle Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen der Stadt Bern gerne zur Verfügung.


[1] Im Zusammenhang mit Behinderungen bezeichnet man Diskriminierung als Ableismus. Dazu gehören beispielsweise Aussagen, welche Menschen auf ihre Behinderungen reduzieren und ihnen so andere Eigenschaften und Fähigkeiten absprechen. Ein weiteres Beispiel ist, Annahmen über Menschen mit Behinderungen zu treffen, ohne diese danach gefragt zu haben.

Behinderungen[2] entstehen aus einer Wechselwirkung von Beeinträchtigungen und Barrieren. Beeinträchtigungen sind individuelle körperliche, psychische oder kognitive Funktionseinschränkungen oder Funktionsweisen, die von der Mehrheit der Bevölkerung abweichen. Beeinträchtigungen bleiben über längere Zeit bestehen und weisen eine gewisse Intensität auf. Auf der anderen Seite stehen gesellschaftliche Rahmenbedingungen und umweltbedingte Barrieren, die eine vollwertige Teilhabe und Mitbestimmung verhindern. Behinderungen sind Wechselwirkungen zwischen Beeinträchtigungen und bestehenden Barrieren. Die Barrieren und Hindernisse, auf welche Menschen mit Beeinträchtigungen in ihrem Alltag stossen, sind zahlreich. Um dies zu unterstreichen, spricht man in der Mehrzahl von «Behinderungen» statt von «einer Behinderung». Auch aus juristischer Sicht ist es sinnvoll, den Begriff «Behinderungen» zu benutzen, da die nationalen Gesetze und internationalen Übereinkommen ebenfalls diesen Begriff verwenden und somit ein Rechtsanspruch entsteht.

Der Begriff «Handicap» wird von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) nicht mehr verwendet, da Handicap von vielen als beleidigend empfunden wird. Handicap bedeutet eine absichtlich auferlegte Benachteiligung. Eine Behinderung wird jedoch weder absichtlich erzeugt noch wird damit ein Vorteil ausgeglichen[3].

Menschen mit besonderen Bedürfnissen

Die Bedürfnisse von Menschen sind so unterschiedlich wie ihre Persönlichkeiten und Erfahrungen. Besondere Bedürfnisse sind kein Merkmal, welches nur auf Menschen mit Behinderungen zutrifft. Somit sollten die Bezeichnungen «besondere» oder «spezielle Bedürfnisse» nicht generell für Menschen mit Behinderungen verwendet werden (im schulischen Kontext und in der Frühförderung wird z.B. der Begriff «besondere Bedürfnisse» verwendet, allerdings nicht als Synonym von Menschen mit Behinderungen).

Menschen mit Behinderungen

Die Personen, über die Sie berichten, sind Menschen mit vielen Eigenschaften und Rollen. Behinderungen sind nur ein Merkmal. Deshalb eignet sich der Begriff «Menschen mit Behinderungen» gut. Der Begriff «die oder der Behinderte» sollte nicht benutzt werden, da er Personen auf ihre Behinderungen reduziert.

 

Verwenden Sie Vermeiden Sie
Mensch mit Behinderungen Die/der Behinderte
Mensch mit Sehbehinderungen Die/der Blinde
Behinderungen Handicap, Störung

 

Die Gruppe der Menschen mit Behinderungen ist sehr vielfältig. Manche Behinderungen sind sichtbar. Die Mehrheit der Behinderungen ist jedoch unsichtbar. Unsichtbare Behinderungen werden vom Umfeld oft nicht wahrgenommen, weil kein äusseres Merkmal auf die Behinderung hinweist. Die Behinderungen sind deshalb aber nicht weniger einschränkend. Oft werden die folgenden Formen von Behinderungen unterschieden:

  • Kognitive BehinderungenPsychische Behinderungen
  • Neurodivergenz
  • Hörbehinderungen
  • Sehbehinderungen
  • Mobilitätsbehinderungen
  • Chronische Erkrankungen

Mehr Details zu den verschiedenen Formen von Behinderungen finden Sie auf der Seite Formen von Behinderungen.

 

Verwenden Sie Vermeiden Sie
Gehörlos Taub, taubstumm
Kognitiv beeinträchtigt[4], kognitiv behindert  Geistig oder seelisch behindert
Trisomie 21, Down-Syndrom[5] Mongoloid
Mensch mit psychischen Behinderungen Irrer, Psychopath, Geisteskranke
Mensch im Autismus-Spektrum Mensch mit Autismus-Spektrum-Störung[6]
Kleinwüchsige Person Zwerg, Liliputaner

 


[4] Von Selbstbetroffenen wird häufig kognitiv «beeinträchtigt» bevorzugt, da ihnen gegenüber der Begriff «behindert» beleidigend verwendet wurde.

[5] Trisomie 21 ist eine bekannte Form einer kognitiven Behinderung. Der Begriff ist die medizinisch korrekte Bezeichnung. Die Bezeichnung «Down-Syndrom» ist ebenfalls geläufig. Sie verweist auf den Arzt Langdon Down, welcher die Beeinträchtigung als erster beschrieb.

[6] Der Begriff «Störung» sollte nur im medizinischen Kontext verwendet werden. Dort ist er oft Teil einer Diagnose. Viele neurodivergente Personen empfinden «Störung» als abwertend, da sie Neurodivergenz nicht als Defekt empfinden, sondern als persönliche Eigenschaft.

Wichtig beim Schreiben und Sprechen über Behinderungen ist eine respektvolle, wertfreie und offene Haltung. Hier einige Tipps, wie dies gelingt:

  • Zeigen Sie Interesse für ihr Gegenüber als Person. Respektieren Sie es, wenn jemand eine Frage nicht beantworten möchte.
  • Wie Menschen mit Behinderungen sich bezeichnen, ist sehr individuell. Fragen Sie Ihr Gegenüber, welche Bezeichnung bevorzugt wird. Manche Menschen verwenden abwertende Bezeichnungen für sich selbst. Möglicherweise wurde der Begriff übernommen, ohne zu wissen, dass er diskriminierend ist. Abwertende Bezeichnungen können auch bewusst eingesetzt werden, um der Abwertung entgegenzuwirken (Reclaiming). Übernehmen Sie Begriffe nur, wenn klar ist, mit welcher Absicht diese verwendet wurden. Markieren Sie diese Ausdrücke unbedingt als Zitat der betreffenden Person.
  • Es ist wichtig, dass Sie Menschen mit Behinderungen als vollwertige Gesprächspartner*innen wahrnehmen, sie direkt anschauen und ansprechen. Ist eine Person mit Behinderungen mit Begleitperson unterwegs, fragen Sie zuerst direkt die Person mit Behinderungen nach ihren Bedürfnissen. Muss die Begleitperson die Kommunikation unterstützen, sollte sie erst in einem zweiten Schritt ins Gespräch einbezogen werden.
  • Menschen mit Behinderungen erleben oft, dass ihnen ihre Schwierigkeiten und ihr Anspruch auf Unterstützung abgesprochen wird. Wenn beispielsweise Menschen mit Depressionen von ihren Erfahrungen berichten, sind Reaktionen wie «wir sind doch alle manchmal traurig oder ängstlich» oft mitfühlend gemeint. Sie können aber abwertend aufgefasst werden. Dasselbe gilt für ungefragte Ratschläge, wie die Beeinträchtigung behandelt werden könnte.
  • Überlegen Sie, wie Sie als Mensch mit all Ihren Eigenschaften dargestellt werden möchten. Es ist wichtig, dass nebst Behinderungen auch andere Eigenschaften einer Person angesprochen werden. Schreiben Sie zum Beispiel über die Werke eine*r Künstler*in mit Behinderungen, so sollte der Fokus auf den Werken liegen. Die Behinderungen sind vielleicht gar nicht erwähnenswert.

Die Berichte, die über Menschen mit Behinderungen verfasst werden, sind immer noch oft geprägt von einer stereotypen und einseitigen Sichtweise.

«Das tragische Leben»

Das Leben mit Behinderungen kann schwierig sein, Behinderungen sind aber nur ein Aspekt des Lebens. Die Reduktion auf ein tragisches, sorgenvolles Dasein wirkt abwertend und fördert die Angst vor Behinderungen. Achten Sie bei der Darstellung darauf, ob das Leiden durch die Beeinträchtigung (zum Beispiel Schmerzen) verursacht wird. Ursache können auch gesellschaftlicher Ausschluss und eine nicht hindernisfreie Umwelt sein.

«Held*innen, die inspirieren»

Darstellungen, die Menschen mit Behinderungen als Held*innen charakterisieren oder sie als Quelle der Inspiration verwenden, sind ebenfalls nicht ausgewogen. Menschen mit Behinderungen leben ihr Leben nicht trotz, sondern mit Behinderungen. Darstellungen von Helden*innen erwecken den Eindruck, dass für eine erfolgreiche Lebensführung allein der eigene Wille und die eigene Kraft ausschlaggebend ist. Dass Hindernisse im Alltag und gesellschaftliche Faktoren ebenfalls Teil der Behinderungen sind, rückt in den Hintergrund.

 

Verwenden Sie Vermeiden Sie
Mit Behinderungen  Trotz Behinderungen

Mit Behinderungen leben, Behinderungen haben

An Behinderungen leiden, ein schweres Los tragen, ein trauriges Schicksal haben, tapfer und mutig sein Leben meistern, das Leben auf bewundernswerte Weise bewältigen

Mensch mit Behinderungen, betroffene Person Opfer, Schützling, hilfsbedürftiger Mensch
Mit Hindernissen umgehen Hindernisse meistern
Mit Hindernissen umgehen  Hindernisse meistern

Im Folgenden werden einige problematische Formulierungen erläutert und Beispiele für eine diskriminierungsfreie Beschreibung genannt.

Gesund, krank, abnormal?

Als Mensch mit Behinderungen zu leben, bedeutet nicht automatisch, krank zu sein. Wie alle Menschen, fühlen sich Personen mit Behinderungen krank, wenn sie Beschwerden aufgrund einer Krankheit haben. Beschwerden können Teil von Behinderungen sein. Diese Beschwerden sind aber oft nicht konstant. Die Grenzen zwischen gesund und krank sind demnach fliessend. Auch Menschen mit Behinderungen sind nur dann Patient*innen, wenn sie medizinische Hilfe benötigen. Menschen mit Behinderungen werden oft «normalen» Personen gegenübergestellt. Dieser Begriff deutet darauf hin, dass Menschen mit Behinderungen «abnormal» sind.

 

Verwenden Sie

Vermeiden Sie

Personen mit Behinderungen

Kranke/abnormale/geschädigte Personen
Personen ohne Behinderungen Gesunde/normale Personen
Mensch mit Behinderungen Patient*in (ausser im medizinischen Kontext)

 

Subjekt statt Objekt

Menschen mit Behinderungen werden immer wieder als passive Objekte statt als eigenständige Personen wahrgenommen und behandelt. Besonders häufig geschieht dies im institutionellen Kontext, wenn Menschen mit Behinderungen als eine Problemstellung oder ein «Fall» bezeichnet werden. Auch der Begriff «invalid» ist abwertend. Zwar wird dieser von der IV verwendet und ist rechtlich zulässig. Eine Person als invalid zu bezeichnen, meint wörtlich jedoch, dass diese Person unfähig oder gar wertlos sei. Auch wenn Personen auf iihr Hilfsmittel reduziert werden, spricht man ihnen das Menschsein ab. Menschen mit Behinderungen nehmen Dienstleistungen in Anspruch und verwenden Hilfsmittel. Sie sind aber nicht mit ihrer Fallnummer oder ihrem Hilfsmittel gleichzusetzen.

 

Verwenden Sie Vermeiden Sie
Mensch mit Pflegebedarf, Antragsteller*in bei der IV, Mensch mit Leistungsanspruch Pflegefall, IV-Fall
Mit Behinderungen Invalid

Bewohner*in einer Wohngruppe oder einer Institution

Heiminsasse/Heiminsassin
Hindernisfreie Toilette IV-Toilette

 

Annahmen über die Lebensrealität

Manchmal glaubt man, die Situation des Gegenübers nachvollziehen zu können. Es kann aber sein, dass diese Vorstellung auf persönlichen Annahmen oder Stereotypen beruht. Beispielsweise bestehen Gebärdensprachen nicht aus einfachen aneinandergereihten Handzeichen. Alle Gebärdensprachen haben eine eigene Grammatik und Geschichte und entwickeln sich wie Lautsprachen weiter. Auch empfinden Menschen mit Bewegungsbeeinträchtigungen ihren Rollstuhl oft nicht als etwas, was sie am Aufstehen hindert, sondern als Hilfsmittel, dass ihnen die Fortbewegung erleichtert.

 

Verwenden Sie

Vermeiden Sie

Mit dem Rollstuhl unterwegs sein, einen Rollstuhl benutzen An den Rollstuhl gefesselt sein
Als blinde Person keinen Sehrest haben Als blinde Person im dunkeln Leben
Eine körperliche Beeinträchtigung haben Im Körper gefangen sein
Gebärdensprache Zeichensprache

 

Barrieren oder Hindernisse?

Das Ziel ist nicht «Behindertengerechtigkeit», sondern Barriere- oder Hindernisfreiheit, welche für alle Menschen Vorteile bringt. Die Meinungen gehen auseinander, inwiefern sich die beiden Begriffe «barrierefrei» und «hindernisfrei» unterscheiden. Tendenziell wird Hindernisfreiheit für die räumliche Umwelt verwendet. Bei der digitalen Kommunikation spricht man hingegen von «barrierefreier Online-Kommunikation». In vielen anderen Lebensbereichen können «Hindernisfreiheit» und «Barrierefreiheit» gleichbedeutend verwendet werden.

Zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen gehört auch, dass Informationen für alle barrierefrei zugänglich sind. Grundsätzlich gilt: Verwenden Sie eine möglichst einfache Sprache. Vermeiden Sie komplizierte Fachbegriffe und formulieren Sie kurze Sätze. Längere Texte sind einfacher zu verstehen, wenn sie in Abschnitte gegliedert sind.

Leichte Sprache

Die Leichte Sprache ist eine Form der einfachen Sprache, die bestimmten Regeln und Strukturen folgt. Sie dient insbesondere Menschen mit Lese- oder Verständnisschwierigkeiten dazu, Informationen leichter aufzunehmen und zu verarbeiten. Texte müssen von Fachpersonen in Leichte Sprache übersetzt und von der Zielgruppe überprüft werden.

Digitale Barrierefreiheit

Die Inhalte sollten digital verfügbar sein. Am besten werden sie direkt auf einer barrierefreien Webseite integriert. Das Erstellen barrierefreier PDFs erfordert erweiterte Kenntnisse, damit sie von Menschen mit einem Vorleseprogramm verwendet werden können. Fotos sollten immer mit einem Alternativtext versehen werden. Bei komplexeren Abbildungen wie zum Beispiel Statistiken ist zudem eine erklärende Bildunterschrift sinnvoll, die alle Nutzer*innen sehen.

Inklusive Bildsprache

Eine inklusive Bildsprache bedeutet, dass Menschen mit Behinderungen auf Bildern als Teil der Gesellschaft in Erscheinung treten. Da es viele unsichtbare Behinderungen gibt, bedeutet dies aber nicht, dass immer Menschen mit sichtbaren Behinderungen gezeigt werden müssen. Unsichtbare Behinderungen können visualisiert werden, indem Personen mit ihren Hilfsmitteln gezeigt werden. Dies kann beispielsweise ein Buch in Leichter Sprache oder ein Anti-Stressball sein. Menschen mit Behinderungen sollen auch im Hinblick auf andere Merkmale wie Alter, Geschlecht oder Hautfarbe unterschiedlich dargestellt werden.

Gendergerechte Sprache

Auch viele Menschen mit Behinderungen schätzen eine gendergerechte Sprache. Besonders geeignet sind geschlechtsneutrale Begriffe, wie etwa «Lehrperson». Das Gendern mit Partizipien (z.B. «Autofahrende», «Zuhörende») wird von Menschen, die auf Leichte Sprache angewiesen sind, oft nicht verstanden. Die Verwendung von Genderzeichen wie beispielsweise des Gendersterns ist möglich, wenn die Bedeutung des Zeichens erklärt wird. Der Genderstern wird von Menschen mit Behinderungen am besten verstanden, da er vielen bereits bekannt ist.

Für Fragen und Anregungen steht Ihnen die Fachstelle Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen der Stadt Bern gerne zur Verfügung.

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