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Grusswort Franziska Teuscher anlässlich des SGB-Frauenkongresses

19. Januar 2018

Grusswort von Gemeinderätin Franziska Teuscher, Direktorin für Bildung, Soziales und Sport, anlässlich des «SGB-Frauenkongresses», 19./20. Januar 2018©

Es gilt das gesprochene Wort

Geschätzte Kolleginnen

Es freut mich ausserordentlich, dass ich heute hier bei euch am SGB-Frauenkongress mit dabei sein kann. Im Namen des Gemeindesrates begrüsse ich euch in der Stadt Bern.

In der Stadt Bern wirkte auch eine der schillerndsten Gewerkschafterinnen des 20. Jahrhunderts, Margarethe Faas-Hardegger. Einige von euch werden ihre Geschichte bereits kennen. Die 1882 in Bern geborene Margarethe Hardegger engagierte sich früh gewerkschaftlich. Sie war als 21-Jährige Mitbegründerin des Berner Textilarbeitervereins, der sich rund um die Proteste der Belegschaft gegen die Zustände in der Seidenstofffabrik Länggasse formierte.

Ein Jahr später lancierte Margarethe Hardegger gemeinsam mit ihrem Mann August Faas eine Kampagne gegen die Leitung der Spinnerei Felsenau. Dort hatte ein Überfall durch den Sohn des Fabrikdirektors auf eine Versammlung von Felsenau-Arbeitern das Fass zum Überlaufen gebracht. Die Arbeiter seien von einem Schlägertrupp überfallen und «mit Stöcken, Schläuchen und Reitpeitschen malträtiert» worden.

Interessant ist auch ihr Engagement beim Schweizerischen Gewerkschaftsbund: Voller Elan trat sie 1905 als erste Frau auf dem Sekretariat des SGB ihre Stelle an, wo sie die weiblichen Mitglieder organisieren sollte. Das war ein grosser Erfolg für die Frauen UND für die junge und starke Margarethe Faas-Hardegger: Ihr Elan und ihr Tatendrang wurden aber nicht nur goutiert. Die beiden männlichen Kollegen beim SGB warfen ihr vor, nur selten im Büro zu sein. Das stimmte zweifellos, nur: Untätig war Margarethe Faas nicht – im Gegenteil: Sie reiste landauf landab, hielt Vorträge, organisierte Mitglieder, gründete Sektionen, focht Arbeitskämpfe und gründete eine eigene Zeitung. Margarethe Faas war eine erfolgreiche junge Frau. Zu erfolgreich für ihre männlichen Kollegen. Der Konflikt auf dem Sekretariat gipfelte schlussendlich in der Entlassung von Margarethe Faas durch den Vorstand des SGB. Dass starke Frauen anecken, ist noch heute so. Und heute wie damals braucht es einen «langen Atem», auch wenn die Themen der Auseinandersetzungen andere sind.

Noch nicht Thema war damals die Lohngleichheit, mit der ihr euch heute und morgen am Kongress beschäftigen werdet. «Leider» muss ich sagen. Denn der Grundsatz «Gleicher Lohn für gleiche Arbeit» ist ja eine Selbstverständlichkeit. Kaum jemand würde heute in der Öffentlichkeit sagen, dass eine Lohndifferenz zwischen Mann und Frau gerechtfertigt sei. Und trotzdem gibt es sie noch heute. Seit 1972, seit der Ratifizierung des ILO-Übereinkommen für «Gleichheit des Entgelts männlicher und weiblicher Arbeitskräfte für gleichwertige Arbeit», setzt sich die Schweiz offiziell für Lohngleichheit ein. Und trotzdem gibt es sie noch immer. Seit 2006 steht für die Überprüfung der Lohngleichheit ein offiziell anerkanntes Instrument, «Logib», zur Verfügung. Aber die Bilanz ist ernüchternd: Laut Bundesamts für Statistik verdienten Frauen in der Schweiz im Jahr 2016 noch immer 20 Prozent weniger als ihre männlichen Kollegen. Die Lohnunterschiede zwischen Frauen und Männern gehen zwar zurück, aber nur langsam. Es braucht also einen langen Atem und viele engagierte Frauen wie damals Margarethe Faas-Hardegger.

Die Lohngleichheit ist übrigens ein Kernanliegen der Stadtberner Gleichstellungspolitik. Wir verfolgen dieses in der Stadt Bern seit Jahren mit der Umsetzung von verschiedenen Massnahmen aus den Aktionsplänen «Gleichstellung». Zudem wird die Lohngleichheit in der Stadtverwaltung re-gelmässig überprüft. Ausserdem hat die Stadt Bern die «Charta zur Lohngleichheit im öffentlichen Sektor 2016» unterzeichnet. Und dieses Engagement zeigt Erfolg. Vor wenigen Tagen konnten wir das Ergebnis der letzten Überprüfung bekannt geben: Über die gesamte Stadtverwaltung beträgt die nicht erklärte Lohndifferenz zuungunsten der Frauen 1,8 Prozent. 8,6 Prozent Lohnunterschied gehen auf nichtdiskriminierende, objektive Faktoren zurück wie das jüngere Alter, die geringere Arbeitserfahrung und die Untervertretung im oberen Kader. Die Stadt Bern steht mit diesem Ergebnis sehr gut da. Nichtsdestotrotz: Wir streben nach einem noch besseren Ergebnis. Nach einer vertieften Analyse sollen bei Bedarf weitere Massnahmen beschlossen und umgesetzt werden. Und schliesslich setzen wir unsere Bemühungen fort, den Frauenanteil im Kader zu erhöhen.

Zum Schluss möchte ich nochmals auf die starken Frauen zu sprechen kommen: 1905 wurde Margarethe Faas-Hardegger die erste politische Sekretärin beim SGB. Erst 76 Jahre später bekamen die Frauen beim SGB ihre zweite Vertreterin: Ruth Dreifuss, die von 1989 bis 1992 auch im
Berner Stadtrat sass (so heisst bei uns in Bern das Parlament) und später Bundesrätin wurde. Ebenfalls im Berner Stadtrat sitzt die heutige SGB-Frauensekretärin, Regula Bühlmann. Vor etwas mehr als einer Woche wurde Regula zur Stadtratspräsidentin gewählt, sie ist also derzeit «höchste Bernerin»: Ich gratuliere Regula nochmals herzlich zu diesem hohen Amt. Regula präsidiert damit ein Parlament, in dem die Frauen in der Mehrheit sind: 51,25 Prozent beträgt der Anteil der Frauen im Stadtrat, so hoch wie derzeit sonst nirgends in der Schweiz. Dieser Anteil entspricht aber in etwa dem Anteil der Frauen an der Gesamtbevölkerung.

Wir brauchen einen langen Atem. Bleiben wir hartnäckig. Ich wünsche euch einen guten Kongress und weiterhin viel Durchhaltewillen!

«SGB-Frauenkongresses», Grusswort Franzika Teuscher, 19./20.01.2018
Titel
«SGB Frauenkongress», Grusswort Franziska Teuscher, 19./20.01.2018 (PDF, 128.3 KB)

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