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Grusswort von Gemeinderat Reto anlässlich der Tagung des EKS, Fachstelle Gewaltprävention: Radikalisierungstendenzen in der Stadt Bern

24. Januar 2019

Grusswort von Gemeinderat Reto Nause, Direktor für Sicherheit, Umwelt und Energie, anlässlich der Tagung des EKS, Fachstelle Gewaltprävention: Radikalisierungstendenzen in der Stadt Bern, 24. Januar 2019 ©

(Es gilt das gesprochene Wort)

Sehr geehrte Frau Professorin Eser,
Sehr geehrter Herr Dr. Endres, sehr geehrter Herr Dr. Tunger-Zanetti
Sehr geehrter Herr Sonderbotschafter Husy
Sehr geehrte Damen und Herren

Es freut mich sehr, Sie alle hier heute zur Tagung begrüssen zu dürfen.

Der sogenannte Islamische Staat (IS) scheint geschlagen. Die Ausreisen in sein Macht- und Kampfgebiet nach Syrien und in den Irak haben aufgehört. Damit scheint die Gefahr vorüber, die Bedrohung erledigt, das Phänomen besiegt.

Leider zeigt die Realität etwas Anderes! Und sie beschränkt sich längst nicht nur auf einen militanten Islamismus oder Dschihadismus:

Der islamistisch-motivierte Anschlag auf den Weihnachtsmarkt in Strassburg und die Messerattacke in Manchester an Weihnachten sind zwei Beispiele.

Die Attacke in der Silvesternacht in Bottrop und Essen in Deutschland, wo ein LKW in eine Menschenmasse gesteuert wurde – aus fremdenfeindlichen, rassistischen Gründen sind zwei andere.

Menschen, die ihre Arme zum Hitlergruss heben, in der deutschen Stadt Chemnitz nach dem tödlichen Übergriff eines Syrers auf einen Deutschen.  

Die Zunahme von rassistischen Übergriffen um das Doppelte – in der Schweiz.

Unbewilligte, antifaschistische Demonstrationen mit einer grossen Gewaltbereitschaft.

Die fast schon üblichen Ausschreitungen, oftmals auch gewalttätig, von „Fussballfans“ nach einem Spiel.

Dies sind Warnsignale aus Deutschland und der Schweiz. Warnsignale einer fatalen Toleranz, Gleichgültigkeit oder Handlungsunfähigkeit der Politik gegenüber gesellschaftlichen Parallelisierungen und damit verbunden gegenüber der Abkehr junger, radikalisierter, zum Teil auch eingewanderter Menschen von freiheitlichen Werten, die unsere Demokratie und unser gesellschaftliches Zusammenleben ausmachen.

Wie können wir dem Entgegenwirken?
Um diese Frage dreht sich die heutige Tagung. Und für mich ganz persönlich als Sicherheitsdirektor dreht sich die Frage im Kern natürlich darum: Was tut die Stadt Bern, um Radikalisierung und Extremismus und damit verbundene gewalttätige Handlungen vorzubeugen?

Die Fachstelle Gewaltprävention des Stadtberner Amtes für Erwachsenen- und Kindesschutz, die die heutige Tagung veranstaltet, ist ein wichtiger Teil meiner Antwort auf diese Frage.

Denn die Städte spielen eine entscheidende Rolle, wenn es um die Erreichung derjenigen Menschen geht, die potenziell gefährdet sind, sich extremistischen Ansichten und militanten Handlungen zuzuwenden, sich also zu radikalisieren.

Die urbanen Ballungszentren, wie die Stadt Bern eines ist, sind Schmelztiegel und Begegnungsort unterschiedlichster Lebensentwürfe, Weltansichten und Ideen. Wenn Menschen aufeinandertreffen, führt dies gezwungenermassen zu Reibung und Konfrontation.

Städte sind zudem auch immer wieder selbst ein zentrales Ziel von extremistischen Handlungen und Attentaten, wie die eingangs genannten Beispiele sehr deutlich zeigen. Und dabei habe ich mich nur auf unsere direkten Nachbarn bezogen.

Die Stadt Bern hat also das allergrösste Interesse, solchen Tendenzen Einhalt zu gebieten, sie früh zu erkennen und dagegen vorzugehen. 

Was aber können wir, was kann die Stadt Bern tun?

Das Phänomen der Radikalisierung ist hochkomplex. Unzählige Faktoren spielen eine entscheidende Rolle, ob und weshalb sich jemand radikalisiert – oder eben nicht.

Unsere Berner Fachstelle für Gewaltprävention hat in den letzten dreieinhalb Jahren rund 60 Fälle mit Radikalisierungsverdacht betreut.

Was wir erkannt haben – und dies deckt sich mit den zahlreichen Erkenntnissen aus der Radikalisierungsforschung sowie den Erfahrungen anderer Behörden und Fachstellen – bei all diesen Faktoren ist klar: Die soziale und gesellschaftliche Zugehörigkeit respektive Ausgrenzung spielen eine zentrale Rolle dabei, ob sich jemand von seinen Mitmenschen verstanden und in der Gesellschaft aufgenommen oder aber ob er sich isoliert und ausgestossen fühlt. Sich somit eher abwendet und anderswo Halt und Respekt sucht, ja möglicherweise in radikalen Ansichten und Inhalten, bei radikalen oder gar extremistischen Gruppierungen.

Klar ist dabei aber auch: Das typische Radikalisierungsprofil gibt es nicht. Das macht das Erkennen und Einschätzen so schwierig.

Doch gilt es aus den Erfahrungen zu lernen. Denn es gibt zwischen den Fällen, unabhängig welcher extremistischen Gruppierung, Ähnlichkeiten. Diese gilt es für eine wirksame Präventionsarbeit herauszukristallisieren und gemeinsam anzugehen.

In den letzten drei Jahren hat die islamistische Radikalisierung und der militant-islamistische Extremismus die verschiedenen Akteure der Präventions-, Interventions- und Repressionsbehörden sowie die mediale Berichterstattung und den öffentlichen Diskurs geprägt.

Gleichzeitig konstatiert der Sicherheitsbericht des Nachrichtendienstes des Bundes von 2018 unter anderem eine Zunahme von Delikten und ein gesteigertes Gewaltpotenzial im Linksextremismus. Und mit einem Blick auf die Vorkommnisse in unseren Nachbarländern tun wir gut daran, die Entwicklungen im rechtsextremistischen Milieu genau zu beobachten.

So unterschiedlich die Beweggründe und Ausgangslage der – oftmals jungen – Menschen, sich radikalen Ansichten zuzuwenden, so komplex ist der Auftrag, vor diesem Hintergrund die Strukturen einer effizienten Prävention von Radikalisierung und Extremismus in der Schweiz und in Bern aufzubauen. 

Ich erachte es als Sicherheitsdirektor der Stadt Bern deshalb als einen äusserst wichtigen Auftrag der städtischen Verwaltung, dass sie ganz genau hinschaut, welche Tendenzen sich abzeichnen und im urbanen Zusammenleben äussern, die die Sicherheit und das Wohl der Bevölkerung gefährden.

Ziel ist es, möglichst früh zu erkennen, welche Risikofaktoren in der Gesellschaft allgemein und in derjenigen Berns im Besonderen vorhanden sind, welche Herausforderungen sich uns künftig stellen werden und wie wir ihnen begegnen können.

Um aber Formen der Radikalisierung früh erkennen und präventiv bekämpfen zu können, braucht es zwingend das enge Zusammenspiel der verschiedenen Akteure hier in Bern: Der verschiedenen städtischen Behörden, der Schulen, der Sportvereine, der Jugendarbeit, der Integrationspartner und vieler anderer Menschen, die sich in der Lebenswelt der Jugendlichen und Migranten bewegen, in direktem Kontakt mit ihnen stehen und mit ihnen arbeiten.

Die Fachstelle Gewaltprävention nimmt dabei eine wichtige Scharnierfunktion ein. Sie will und soll als Schnittstelle aller Partnerbehörden und -organisationen fungieren, Eindrücke sammeln, Überblick auf dem Platz Bern verschaffen.

Die heutige Tagung ist dabei ein wichtiges Instrument.

Wenn Sie den Titel der Tagung betrachten, sehen Sie den Begriff der «Trendgruppe». Dieser ist bewusst so gewählt. Denn Sie, die hier Anwesenden, betrachten wir im besagten Themenbereich als die Trendgruppe der Stadt Bern.

Sie alle haben in Ihrer alltäglichen Arbeit Berührungspunkte, vielleicht und zum Teil gewiss sogar konkrete Problemstellungen im Themenbereich der Radikalisierung, des Extremismus und deren Prävention. Sie haben Erfahrungen und Expertise, und Sie haben Ihre eigene, ganz besondere Perspektive auf diese Phänomene.

Wenn wir diese verschiedenen Hintergründe nun bündeln, in dieser Trendgruppe, bin ich davon überzeugt, dass es gelingen wird, uns auf dem Platz Bern für die künftigen Herausforderungen in dem Themenbereich zu wappnen. Diese Fachtagung der Trendgruppe ist Gefäss und Instrument zugleich, um zwischen den vielen unterschiedlichen Stellen und Akteuren Brücken zu schlagen, Wissensaustausch zu ermöglichen, Hürden und Hemmnisse ab- und Vertrauen aufzubauen, und gemeinsam und partnerschaftlich gegenwärtige und künftige Problemstellungen herauszuarbeiten und schliesslich zu meistern.

Es muss uns grundsätzlich gelingen, dass Menschen gar nicht erst in Situationen gelangen, in der sie sich letztlich nur noch mit Gewalt zu helfen wissen. Und dies gelingt nur mit vereinten Kräften aller Akteure – von Prävention, über Intervention bis hin zur Repression.

Hier setzt die heutige Tagung, hier setzt die Fachstelle Gewaltprävention an.

Ich danke Ihnen herzlich für Ihr Interesse an diesem gerade für Bern und die Schweiz grundlegend sehr wichtigen Thema. Und dass Sie heute hier Ihr Wissen und Ihre Einschätzung mit uns teilen, und das auch künftig tun.

Und ich danke Ihnen für Ihr Engagement, das ein friedliches und sicheres Zusammenleben der Menschen in Bern und weit über Bern hinaus ermöglichen hilft.

Vielen Dank!

Grusswort von Gemeinderat Reto Nause, Direktor für Sicherheit, Umwelt und Energie, anlässlich der Tagung des EKS, Fachstelle Gewaltprävention: Radikalisierungstendenzen in der Stadt Bern, 24. Januar 2019 ©
Titel
Tagung des EKS, Fachstelle Gewaltprävention: Radikalisierungstendenzen in der Stadt Bern, Grusswort von Gemeinderat Reto Nause, 24.01.2019 (PDF, 130.8 KB)

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